Die Bergung:Um es vorweg zu nehmen, Schnauz ist einigermaßen wohlauf. Er hat sich die Ferse ordentlich geprellt und mit solchen Manövern inzwischen ja auch eine gewisse Übung...
Zudem handelte es sich nicht um einen nackten, steilen Geröllhang, sondern um einen grasüberwachsenen, mit Steinen versetzten Abhang mittlerer Stärke. Dennoch war das alles nicht so ganz ohne und hätte wohl auch schlimmer ausgehen können.
Als mich seine Nachricht: „Micha, ich bin abgestürzt, du musst mir helfen.“ per Helmsprechanlage erreichte, war ich gerade dabei meine gesamte Konzentration einem relativ großen Steinbrocken vor mir auf dem Weg zu schenken.
„Das glaub ich nicht Thomas, damit macht man keine Scherze!“ „Nein im Ernst, ich bin mit der „Irak“ den Hang 'runtergestürzt, mir ist aber nichts weiter passiert. Kann allerdings nicht mehr auftreten. Du musst zurück kommen.“
Helmut und Günter waren schon hinter der nächsten Wegbiegung verschwunden und so stand ich also da, auf einem 80 cm breiten Pfad, der ein Umdrehen der NVA schlicht unmöglich machte. Also Seitenständer 'raus und abgestiegen. (Wenn der jetzt auch noch wegbrechen sollte, ist das zweite Moped unten..)
Von Weitem sah ich dann Thomas unterhalb des Weges, wie er sich mit seiner TS abmühte. Schnell machte ich mich zu Fuß auf den Weg, zurück zu ihm und stieg vorsichtig, um sich am Ende nicht auch noch einen Fuß zu verknacksen, den Hang zu ihm 'runter.
Der Schock stand Thomas noch im Gesicht geschrieben und wir versuchten als erstes einmal die TS aus ihrer ungünstigen Kopflage zu befreien, da aus dem Tankdeckel kontinuierlich Benzin tropfte. Irgendwie schafften wir es mit vereinten Kräften auf dem unebenen Gelände sie aufzurichten. Zumindest stand sie jetzt schon mal wieder auf den Rädern.
Die Schäden beschränkten sich auf den ersten Blick auf eine verbogene linke Fußraste, einen verbogenen Schalthebel, der Lenkerspiegel war weg und der komplette Scheinwerfereinsatz war herausgefallen. Leider war auch die Kupplungsarmatur an der Schelle gebrochen, was in dieser Situation nicht ganz so günstig war. Aber es hätte ja schlimmer kommen können.
Über Smartphone versuchte ich Günter zu erreichen…. Kein Empfang. Also habe ich versucht eine WhatsApp-Nachricht zu senden… Die ging gar nicht erst 'raus. Nun war Warten angesagt. Irgendwann werden Günter und Helmut schon merken, dass wir nicht mehr da sind und so saßen Thomas und ich nun auf über 2.000m Höhe im Abhang , ca. 40 m unterhalb des Weges und harrten der Dinge die da kommen.
Thomas hat viel Glück gehabt. Beim Absturz hat er sich geistesgegenwärtig mit einem Sprung in eine Krüppelkiefer gerettet und hat die MZ beim Sturz sich selbst überlassen, die dann mit mehreren seitlichen Überschlägen den Abhang 'runterflog. Trotzdem hat ihm die TS oder ein Stein die Ferse und sein Bein so lediert, dass er nur unter Schmerzen auftreten konnte. Den Schuh hat er vorsichtshalber nicht ausgezogen, da er nicht wusste, ob er den je wieder anbekommen würde. Man sah ihm an, dass es weh tat.
Nach einer gefühlten Ewigkeit hörten wir in der Stille Motorengeräusche, die sich langsam näherten. Das konnten nur Helmut und Günter sein.
Sie waren es und machten sich, als sie sahen was passiert war, so schnell es die Wegesituation zuließ auf den Weg zu uns. Als Günter bei unserem Vorbereitungstreffen für die Reise sagte, dass wir auf keinen Fall ein Abschleppseil vergessen dürfen, haben wir über seinen Einwand noch gelacht. Am Tag vor der Abfahrt aus Nürnberg sprach Thomas mich darauf an und ich packte ein's ein. Das hatte ich nun in meiner Packtasche dabei. Was für ein Glück.
Um die 170 kg Stahlross zu erleichtern, wurde erstmal sämtliches Gepäck incl. Ersatzkanister entfernt. Es gab nur eine Möglichkeit die MZ wieder nach oben zu bekommen, indem wir sie flach am Hang entlang, langsam immer weiter nach oben beförderten. Dazu mußte sie allerdings erstmal um 180 Grad gewendet werden.
Also befestigte Günter ein Ende des Abschleppseils mit einem Karabiner an der Querstrebe des NVA-Lenkers, das andere Ende wickelte er sich um das Handgelenk. Helmut stand seitlich, schob und führte den Lenker und ich war hinter dem Moped und hob den Bock Zentimeter um Zentimeter immer weiter herum.
Wenn auch unter größter Anstrengung, es klappte. Während des Wendemanövers hatte ich allerdings plötzlich den hinteren Einzelsitz (Thomas hatte unterwegs längst den Schließzylinder verloren) in der Hand. Galant wollte ich diesen wie einen Frisbee zu Thomas werfen, der dem ganzen Geschehen, da außer Gefecht gesetzt, im Gras sitzend zusah.
Kurz vorm Ziel knallte der Sitz jedoch seitlich auf einen Stein, stellte sich auf und rollte wie ein Wagenrad den Abhang hinunter.
Wir konnten die Situationskomik kaum glauben und lachten Tränen vor Erschöpfung, Anstrengung und was weiß ich noch alles. Ich also dem Sitz hinterher, der sich glücklicherweise im hohen Gras verfing. Günter lotste mich von oben, damit ich die richtige Stelle fand, wo der Sitz zum Liegen kam.
Dann ging die Bergung weiter. Zentimeter um Zentimeter kamen wir voran, schoben durch Löcher und über Steinbrocken, der Schweiß lief uns in Strömen und mehrmals standen wir kurz vor dem Kollaps. Endlich hatten wir es fast geschafft. Das letzte Stück war jedoch so steil, dass wir es ohne Motorunterstützung nicht schaffen konnten. Zündung an, Benzinhahn auf, Leerlauf rein, 5x gekickt und … der Motor lief. Erleichterung machte sich breit und mit den Fragmenten des Kupplungsgriffes, den wir mit mehreren Kabelbindern notdürftig geflickt hatten, erklomm die „Irak“ brav knatternd die letzten Meter. Das wäre geschafft.
Während Günter wieder die abgebauten bzw. verlorenen Teile an der „Irak“ befestigte, half Helmut mir mein Motorrad holen. Wenden ging auf dem Pfad nicht, also wurde sie so lange rückwärts geschoben, bis sich eine Wendemöglichkeit ergab. Thomas Fuß sah gar nicht gut aus und wir überlegten, wie wir am Besten wieder zurück kommen. Am Ende nahm Thomas dann die leichtere GS von Günter und Günter fuhr die „Irak“ vom Thomas.
Ich will gar nicht auf Einzelheiten der Rückfahrt eingehen, da sich viele Beschreibungen wiederholen würden; aber als wir sahen, welche steilen Pisten wir auf dem Rückweg nehmen mussten, wurde uns ganz anders. Auf dem Hinweg waren uns diese Steigungen gar nicht so aufgefallen, da wir überwiegend leicht bergab fuhren. Nun mussten wir aber zurück.
Wir warteten also beim Erklettern der Höhen immer solange bis der Vodermann oben angekommen war, um ja nicht am Berg zu verhungern. Thomas fuhr als Erster, dann Günter, dann Helmut und zum Schluss ich. So nahmen wir Höhenzug um Höhenzug. Nach einer gefühlten Ewigkeit waren wir wieder am Monte Saccarello angelangt und gönnten uns eine längere Pause. Wir waren erschöpft. Die Jacken durchgeschwitzt lief uns der Schweiß vor lauter Anstrengung sogar im Helm an den Schläfen herunter.
Die Motoren und Auspuffe knisterten, dann ging es weiter, die Serpentinen herunter bis zu der Weggabelung, an der wir am Morgen die erste Pause kurz vor dem Aufstieg zum Monte Saccarello gemacht haben. Kleine Pause, Durst löschen und weiter ging es die Südroute zurück bis zu dem Kassenhäuschen, wo die Süd- auf die Nordroute stößt. Dann weiter bis in das kleine Bergdorf Upega, wo wir uns endlich eine längere Pause in einer Bar gönnten und ein Bier zischten, danach noch einen Espresso und einen herrlichen, honigfarbenen, milden, ganz feinen Grappa.
Der Stoff muss wie ein Katalysator auf uns gewirkt haben, denn als wir zurück zur Unterkunft fuhren hingen wir uns hinter einen Pajero, der mit 70 Sachen vor uns, die kurvige Bergstraße freiräumte. Wir flogen nur so um die Kurven und ließen die Maschinen laufen. Die Motoren schnurrten, als sei nichts gewesen.
Zurück in Vessalico legte Thomas sich erstmal ins Bett und schlief während Günter Thomas' MZ reparierte. Er hatte in seinem Auto eine Ersatzkupplungsarmatur und Seitenspiegel dabei und so wurde die Maschine noch am selben Abend wieder instand gesetzt.
Die Ironie des Ganzen war noch, dass Thomas seinen eigenen Abflug mit der Bordkamera gefilmt hat, was wir uns abends dann mit dem Beamer gemeinsam ansahen. Auch die gesamte Bergungsaktion hatte er gefilmt und so konnten wir den Tag noch einmal bei einem bis drei Bier nachempfinden. Nicht auszudenken was gewesen wäre, wenn Thomas sich die Knochen gebrochen hätte und/oder die MZ ernstere Schäden gehabt hätte. In der unwirtlichen Gegend wäre nur eine Hubschrauberbergung möglich gewesen…
Am nächsten Morgen unternahmen wir nur noch eine schöne kleine Abschlussfahrt durch die örtlichen Bergdörfer und dann öffnete um 19 Uhr das kleine Lokal „Da Maria“ im Ort extra für uns die Pforten. Ich hatte in dem Lebensmittelgeschäft „Aglio“ die nette Italienerin hinter der Käsetheke gefragt und sie hat das bei dem Inhaber mit einem kleineren Telefonat für uns klar gemacht…
Der letzte Abend wurde lang. 3 Flaschen Wein, 3 Flaschen Wasser, 8 Gänge Antipasti, dann der erste Hauptgang und dann… haben wir erschöpft nach 2,5 Std. aufgegeben. Es ging beim besten Willen nur noch ein Gelati als Dessert 'rein. Als wir den Espresso tranken und einen Grappa dazu bestellten, stellte uns der nette Wirt gleich eine ganze Flasche auf den Tisch….
Ich sag nur eins: „Die Gegend ist ein kulinarischer Genuß“
Früh am nächsten Morgen war Abreisetag und wir verluden unsere Fahrzeuge. Mit den Transportern ging es dann auf die 1.000 km lange Rückfahrt.
So, das war der Berciht über unsere LGKS-Tour und ich hoffe, Euch ist nicht langweilig geworden....
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MZ ES 150/1 Trophy (Bj.'70), MZ ES 250/2 'Trophy de Luxe' Gespann (Bj.'70), MZ ETZ 150 Enduroumbau (Bj.´86), BMW K 75s (Bj.'86), Honda XBR (Bj.´ 85)