Hallo zusammen.
Eine Geschichte, die nicht mit MZs zu tun hat, aber insofern interessant ist, da sie exemplarisch für eine Forschung nach dem Werdegang eines alten Motorrads steht, oder einzelner Sequenzen eines solchen.
Im Oktober 2002 fuhren mein Vater Mecki und ich nach Großneudorf bei Kölleda in Thüringen.
Ich wollte endlich einen alten Engländer an Land ziehen, aus den 30er Jahren sollte er sein.
Die tolle Optik der Starrahmenmodelle in Kombination mit der alten Parallelogrammgabel gefiel mir eben sehr.
Die Fixierung auf einen alten Engländer lässt sich wohl rasch mittels eines Blickes auf meine Kinder – und Jugendzeit erklären:
Wie ich als Fünfjähriger als Sozius auf Meckis Einzylinder – AJS saß, wir diverse Engländertreffen ansteuerten. Wie wir im Regen innerhalb eines Pulkes alter Engländer (diese Töne!) auf einem Öltropfen ausrutschten und die im Auto hinterherfahrende Mama mit Schwestern uns entsetzt anhielt, ich solle doch ins Auto kommen.
Oder wie ich auf einem Engländertreffen erlebte, dass man mithilfe eines Lagerfeuers eine Ventilführung von Meckis AJS dazu bewegen konnte, an ihren richtigen Platz zurückzukehren. (Norton-Limes-Treffen Wahlenmühle).
Oder dass die Lukas-Elektrik gar drei alte Engländer auf einmal im Dunkeln ohne Licht fahren lassen kann. Der böse Earl…Das war in Frankreich, auf dem Weg zur Jampotrally in Dijon, 1984.
Jau, so lernte ich sie kennen.
Zurück zur M-Story:
In Kölleda stand eine 500er BSA M20 von 1940 zum Verkauf. Gut, 1940 ist nicht gleich 30er Jahre, aber sie gefiel mir irgendwie.
By the way... Die M20 ist ein berühmtes Motorrad, sie wurde von 1937 bis 1955 gebaut, über die Zeit hinweg natürlich mit Modifikationen am Fahrwerk gesegnet. Ab 1948 hielt die Teleskopgabel Einzug und ab ca. 1951 war sie auch hinten gefedert, vorerst auf geradem Wege.
Sie zeichnete sich durch ihre ausgesprochene Robustheit aus, ihr 5fach gelagerter Seitenventiler schien undestroyable. Und dann nur eine Leistung von knapp 14 PS, da konnte ja nichts kaputt gehen bei! Der Charakter eines genügsamen Ackergaules wohnte ihr inne.
Daher wurden im Zeitraum von 1940 bis 1945 126000 Stück in mattgrünem Ornat, oder wüstenfarben, an die Alliierten geliefert. Diese Modelle hießen dann WM 20. Somit war sie auf dem gesamten Erdball zu erblicken. Sie war beim D-Day mit von der Partie wie auch in Nordafrika, wo Montgommery gegen Rommel kämpfte oder aber man konnte sie auch im Osten, z.B. Berlin, antreffen, sie war in Italien und Belgien unterwegs und…
Die M20-Modelle von 1937-39 waren aber zivile. Die Jahrgänge 37 und 38 waren mit Handschaltkulisse rechts am Tank und Brooklands-Fishtail-Auspufftopf ausgeführt.
Aber es gab auch weitaus sportlichere Ladies in den Reihen der Ms.
1937 kam unter Federführung von Val Page die BSA M-Reihe auf den Markt:

- M19 350 OHV.
- M20 500 SV 1937-55. 1937 & 38 mit Hand - und Fußschaltung kombiniert. M21 dito.
- M21 600 SV 1937-63. So lange, da sie unter Gespannfahrern sehr beliebt war.
- M22 500 OHV 1937-40
- M23 500 OHV Empire Star, „The Masterpiece of Industry“, 1937-40.
- M24 500 OHV, die ganz frühe Gold Star, wurde in der Form von 1937-40 gebaut.
Also dachte ich, es mit einer ehemaligen Militär-M20 zu tun zu haben, auch wenn sie in Zivilfarben umlackiert worden war. British racing green. Sie sah erst nicht schlecht aus, war aber eine „Showroomrestoration“: Sie war schlecht lackiert, es wurde viel Wert auf Glitzer & Glamour gelegt, an Spachtel wurde auch nicht gespart und die gesamte Technik war verpfuscht, wo es nur ging! Viele Teile waren nicht richtig, zum Teil aus DDR-Produktion. Überhaupt sah mir vieles nach einer russischen Kolchosendorfschmiedrestaurierung aus, oder besser gesagt, sie wurde mit Improvisationstalent und der Kunst des Weglassens am Leben gehalten, was ja auch was hat. Aber doch zum Entsetzen meines Gemütes, denn leider kam vieles erst später zum Vorschein. Sprich daheim.
Der Vorbesitzer wollte sie ins Wohnzimmer stellen, sie sollte also nie mehr bewegt werden. So wurde es mir zumindest vom Verkäufer erzählt. Das erklärte auch die Konzentration auf die Optik seitens des Vor-Vorbesitzers.
Trotzdem ließ ich das von einer Kreditanstalt geborgte Geld über den Tresen gehen und wir luden die Beesa in den Transit eines guten Freundes.
Einen Tag später erfuhr ich dann, dass die Motor-Nummer „KM20…“ ein 1939er M20-Modell bedeutet.
Also war sie doch eines der frühen Zivilmodelle?
Die Zeit verstrich, kein Geld und keine „Muße“ waren da, um an der BSA zu werkeln. Sie blieb unberührt stehen, die Lady.
Im Februar 2004 wurde mir dann auf dem BSA-Treffen in Hassloch (bei Speyer) gesagt, dass nur die Vorkriegs-Ms von 37-39 Seitenwagenanschlüsse hatten. So wie es bei meiner der Fall ist. Somit erhielt ich einen weiteren Hinweis.
Wieder vergingen Jahre, an der BSA tätigte ich nur Kleinigkeiten, wie dass ich einen 8“-Lukasscheinwerfer und die ganzen Handhebel für den Lenker auftrieb, den Sattel schweisste und bezog etc. Die Geschehnisse alltäglicher Wirren hielten mich von einem Mehr definitiv ab.
Ich reimte mir Theorien zusammen, dass sie vielleicht zu Zeiten des 2.Weltkrieges in Russland eingesetzt war, oder nach dem Krieg in der DDR oder Polen verblieb.
Ich meinte auch gehört zu haben, dass Stalin ebenso eine Lieferung M20 für seine Rote Armee erhalten haben soll. Dessen bin ich mir aber nicht sicher.
Im August 2008 meldete ich mich dann zum ersten Mal im „The BSA WD-M20-Website“- Forum zu Wort. Dort wurde mir mit Auskünften geholfen, wo ich zum Beispiel die Rahmennummer finden könne. An dieser Stelle nochmals vielen Dank an die Mitglieder des WD M20-Forums!
Später setzte ich dort auch Fotos hinein, woraufhin weitere Hinweise folgten:
- Den kleinen Öltank gab es nur 1937-39 an den Zivilmodellen.
- Der Öltank ist in der „Cutaway“-Ausführung, d.h. sie hatte einen hohen Auspuffkrümmer montiert. Montiert war an meiner aber ein tiefer.
- Höher montierte Sattelfedern, als normal. Auch das sei ein Indiz für einen hohen Auspuff.
Die M20 gab es aber nie mit hohem Auspuff. Nur bei der M22 oder der M23 gab es dies. Aha.
In diesem Forum tauchten dann auch Fotos auf (überhaupt hat es dort viele schöne historische Fotos), auf denen Mitglieder der Royal Air Force sehr frühe zivile M20-Modelle von ´37 oder ´38 in tarnfarbenem british khaki green umpinselten.
Hmmm. Sollte ich meine dann auch in military green umpinseln? Das wäre ja nun ob dieser historischen Beweisfotos kein Stilbruch mehr. Und einfacher wäre es auch, würde doch so mancher Chromschmuck durch Abwesenheit glänzen können und im Falle einer Reparaturlackierung wäre ein Pinsel schnell gezückt…Grübel…

Wieder daheim, machte ich mich sogleich an ein Abschaben des Lackes an der unteren Rahmenmuffe des vorderen Rahmenrohres. Und siehe da: „HM19 4798“. Das H steht für 1937, also ist sie ein M-Modell des allerersten Jahrganges!
Somit stand fest, dass der M20-Motor von 1939 dort nicht hineingehörte. Ist es nun einfach eine 1937er M20 oder ein gar sportlicheres OHV-Modell? Wieder grübel.

Ich ging der Sache weiter auf den Grund:
Über das CBBC-Forum bekam ich die eMail – Adressen einzelner Mitglieder des BSA OC UK heraus. Auch hier ein danke an diejenigen, die mir den Tipp hierzu gaben.
Dort soll ein netter Mensch sein, der alte BSA-Listen verwaltet, mit denen man nachvollziehen kann, welches Modell es war, wann es gebaut wurde und wohin es ausgeliefert wurde.
Also schrieb ich sie an, fügte meine Rahmennummer an.
Nach einer Weile, am 25.November 08, kam eine eMail zurück:
Diese BSA sei eine M23 von 1937, die am 9. Juni 1937 nach Bukse / Riga versendet wurde.
Wow, ich war ganz baff und gleichzeitig fasziniert, dass man so etwas noch herausbekommen konnte. Also doch eine Sowjetische. An die kalte Ostsee hat es sie also verschlagen.
Hier möchte ich mich sehr bei Steve Foden bedanken. Ich bin ihm definitiv ein Pint of Lager schuldig!
Eine M23 Empire Star war sie einmal gewesen. Mit einem schönen & sportlichen OHV-Motor, schon damals mit 26 PS! Diesen gab es übrigens in Ein – und Zweiportausführung.
Das Rätsel scheint also gelöst. Vielleicht werde ich einmal in die andere Richtung Nachforschungen betreiben, ob und bei wem sie in Germany zugelassen war. Dann werde ich wohl mal eine Unbedenklichkeitsbescheinigung in Flensburg beantragen.
Was ich jetzt mit ihr anstellen werde?
Ich werde sie nochmals komplett zerlegen, der Rahmen, Öltank und andere Blechteile müssen in schwarz umlackiert werden, so wie es auch mal gewesen war. Der Tank bleibt in seinem grün-silber erhalten. Ein zweites Getriebe muss ich suchen. Desweiteren werde ich ihr schöne Alukotflügel verpassen, im Stil einer Competitionmaschine soll sie erstrahlen.
Der schwierigste Part wird es wohl sein, einen M23-Motor zu beschaffen. Da werde ich
bevorzugt einen einportigen suchen, zuviel Auspuff ist nicht gut.
Sie wird einen hohen Krümmer erhalten, in Kombination mit den schmalen Alukotflügeln wird das eine leckere Sache werden. What a tasty bike!
Aber wahrscheinlich wird sich all dies wieder über Jahre hinweg ziehen. Eine Kombination von Arbeit, Handwerk, Geisteswissenschaften, teilnehmenden Beobachtungen, Literatur & Ornithologie zollen eben ihren Tribut. Und das ist gut so!
„Friedliche Koexistenz!“
Das war die M-Story.
Ich wünsche euch allen allzeit gute und rutschfreie Fahrt, bleibt gesund und munter.
Cheerio,
Dominik.