Meine innere Uhr beendete auch am nächsten Morgen zuverlässig die nächtliche Ruhe. Zwar war es an diesem Tag eine halbe Stunde später als gewohnt, trotzdem war es erst 6 Uhr in der früh und ich schlich leise, um Thomas nicht zu wecken, ins Bad unter die Dusche.
Der Blick aus dem Hotelfenster zeigte, dass es nachts zwar feucht gewesen, der angekündigte Regen allerdings (noch) ausgeblieben war. Die dichte Wolkendecke verriet jedoch jetzt schon, dass unsere Reisegruppe heute wohl noch die Regenkombis auspacken darf.
Als ich aus der Dusche kam, war auch Thomas erwacht und versorgte, wie jeden Morgen auf unseren Reisen, erstmal seinen gesamten Familien- und Freundeskreis mit Whatsappnachrichten. Morgens um 6:30 Uhr !!!
Ein einziges Gepiepe aus seinem Smartphone, wenn dann die entsprechenden Antworten eintrudelten. Ich frage mich manchmal, was der liebe Thomas eigentlich in der früh schon alles zu erzählen hat?
Obwohl, wenn ich mir so überlege was Schnauzi mir während der Fahrt alles über die Helmsprechanlage erzählt.... kann ich nur sagen, dass er immer ein Thema findet. Und sei es nur: „Hallo Micha, hörst Du mich?“ Er ist halt ein sehr kommunikativer Mensch, was ja auch durchaus seine Vorteile hat.
Da es noch sehr früh war, legte ich mich wieder auf mein Bett, kramte meinen Tablet-PC hervor um noch ein wenig Zeitung zu lesen, als Thomas plötzlich mit einem Satz und den Worten: „Komm Micha, lass uns mal die Kompression prüfen.“ aus dem Bett sprang. Kompression? Welche Kompression? Er konnte doch unmöglich sein Gespann meinen, hatte ich doch tags zuvor schon Mühe überhaupt hinterher zu kommen.
Aber wer Thomas kennt weiß, dass seine Ideen keinerlei Aufschub dulden und so legte ich also mein Tablet wieder zur Seite, ohne auch nur eine Zeile gelesen zu haben. Widerstand wäre ohnehin zwecklos gewesen. Er hätte so lange genervt, bis ich endlich klein beigegeben hätte. Anstrengend dieser Kerl!
Also folgte ich dem Ruf des Meisters und die Kompressionsmessung an seinem Gespann ergab satte 10,5 bar, was ich irgendwie auch nicht anders erwartet hatte. Dafür vergass ich dann beim anschliessenden Packen mein Tablet, das sich, wie auch immer, in der Zwischenzeit in den Tiefen des Bettes verkrümelt hatte. Schön, dass Thomas wenigstens seinen Kompressionsdruck wusste.....
Frühstück gab es um 8, Abreise sollte gegen halb 9 Uhr sein. Nachdem wir uns alle ausreichend am Frühstücksbuffet gestärkt hatten, wurden die Fahrzeuge bepackt. Ich stand schon abmarschbereit an meiner ES, als unser Schnauz fröhlich grinsend im Hof auftauchte, mir sagte, dass ich ein „vergesslicher Depp“ sei und dabei meinen Tablet in die Luft hielt. Zum Glück hatte er, was er sonst eigentlich selten tut, beim Verlassen des Hotelzimmers die Betten aufgeschüttelt und dabei das Gerät gefunden. Wenn ich Dich nicht hätte Thomas.....
.... dann hätte ich morgens in Ruhe noch Zeitung lesen können ohne mich stattdessen mit Kompressionsdrücken zu befassen.
Die Motoren liefen gegen 8:45 Uhr und ein paar Hotelgäste liessen es sich nicht nehmen unsere Abfahrt live mitzuerleben. Wir hingegen hüllten sie dafür sauber in blaue Dunstwolken und knatterten vom Hof, um unsere zweite Tagesetappe zu starten.
Der Weg sollte uns über Markneukirchen nach Bärnau führen, wo Günter uns eine Führung durch seine Motorradsammlung angeboten hatte. Später dann weiter nach Pilsen zum Etappenziel des Tages.
Günter hat es als erster gemerkt, manche von uns gar nicht, dass wir uns im Erzgebirge gleich am Anfang um mindestens 30 Kilometer verfahren hatten. Das Navi wollte nicht so wie Thomas wollte oder umgekehrt, jedenfalls tauchten manche Ortsnamen in der Gegend um Oberwiesenthal plötzlich doppelt auf, was eindeutig darauf schliessen ließ, dass wir da schon einmal waren.
Ich muss bei dieser Gelegenheit für Thomas wirklich „eine Lanze brechen“. Auch im Verlauf des Tages, später auch bei einsetzendem Regen und beschlagener Klarsichtfolie der Navitasche an seinem Tankrucksack, hat er stets den Überblick behalten und unsere Gespanngruppe zuverlässig angeführt. Eine Herausforderung, die kaum einer von uns gerne angenommen hätte, hat er grandios gemeistert. Das kann Schnauz wirklich gut. (...neben Vollgasfahren natürlich...
) Großes Lob dafür!!
Die Fahrt durch das Erzgebirge war trotz der bedeckten und kühlen Wetterlage wunderschön. Eine tolle Gegend mit kleinen, kurvigen Strassen, sanften Anstiegen und langgestreckten Abfahrten, ideal zum Motorradfahren. Sobald wir Ortschaften mit Menschen an den Straßen durchfuhren, war unsere kleine Reisegruppe mit den 7 Gespannen schnell Mittelpunkt des Geschehens, was uns natürlich auch ein klein wenig stolz machte. Viele winkten uns lachend zu und erfreuten sich offensichtlich an den Fahrzeugen längst vergangener Tage.
Unsere Stimmung war sehr gut und auch an diesem Tag sorgte Matthias im gefühlten Halbstundentakt für die regelmäßige Verschnaufpause. Aber das hatten wir ja schon
Das Erzgebirge hat seinen Reiz. Eine Mittelgebirgskulturlandschaft mit langer handwerklicher Tradition auf der Kammlinie zur nördlichen Grenze nach Tschechien. Wer dabei nur an die kunstvollen Weihnachtsschmuckschnitzereien denkt vergisst, dass in dieser Region auch der Bergbau die Ortschaften prägte und die schöne Landschaft bei Wanderern und Wintersportlern mindestens ebenso beliebt ist. Die Ortsnamen sind teilweise ungewohnt, manchmal auch lustig. So hielten wir, weil Thomas mal wieder keinen Sprit mehr hatte
in einem Ort mit Namen „Ehrenzipfel“.
(Ein kleiner praktischer Tip von mir bei der Gelegenheit:
Man sollte immer dann auch sein eigenes Moped volltanken, wenn Schnauzi tankt. Dann kann nämlich nie was passieren, weil er garantiert immer zuerst wegen Spritmangel liegen bleibt. Egal welches Moped er gerade fährt. Ich habe das wirklich noch nie anders erlebt. Der Verbrauch seines ES2-Gespannes lag auf dieser Reise bei satten 10 ltr./100 km. Eine beachtliche Leistung.Gegen Mittag erreichten wir Markneukirchen im Vogtland. Das Vogtland schliesst sich westlich am Erzgebirge an und liegt im Grenzgebiet zwischen Sachsen, Thüringen, Bayern und Tschechien. Der Ort Markneukirchen ist bekannt als Zentrum des Musikinstrumentenbaus mit inzwischen sehr langer Tradition. Besonders sehenswert ist hier das Musikinstrumentenmuseum mit über 3.100 Exponaten aus aller Welt. Schwerpunkt sind jedoch die heimischen Instrumente. Zu Beginn des 20. Jhr. stammten fast 50% aller weltweit hergestellten Musikinstrumente aus Markneukirchen und den umliegenden Ortschaften.
Als ich vor einigen Jahren diesen Ort einmal mit meiner Frau besucht habe, war ich begeistert und kann den Besuch des Museums nur empfehlen.
Der Regen setzte so ein, wie er prognostiziert war.
Kurz nachdem wir Markneukirchen verlassen hatten, fing es an zu tröpfeln und wir stoppten an einem kleinen Waldparkplatz um unsere Regensachen heraus zu kramen.
Natürlich hatten wir die Hoffnung, dass sich das Wetter einigermaßen halten wird. Aber weit gefehlt. Es wurde von Kilometer zu Kilometer schlimmer.
Die Gischt überholender PKWs spritzte nur so an unsere Visiere und Kombis und das Ziel „Bärnau“, Günters Motorradlager, lag noch in sehr weiter Ferne.
Zum Glück habe ich meinen verlorenen Gummihandschuh wiedergefunden, den ich schon sehr lange vermisst und weswegen ich vor der Abreise meinen halben Keller auf den Kopf gestellt hatte. Natürlich lag der längst nicht mehr bei mir. Da hätte ich lange suchen können. Wie konnte es auch anders sein, erst als unser Schnauzi mit ratlosem Blick bei unserem Boxenstopp versuchte zwei linke Handschuhe anzuziehen, kam die Erleuchtung. Der Schlumi hatte meinen Handschuh irgendwann mal eingesackt (.... der kann auch alles brauchen, wenn man nicht aufpasst...
) und sich nicht gewundert, dass er statt zwei plötzlich drei Gummihandschuhe sein Eigen nennt.
Aufmerksam im Straßenverkehr aber doch jeder irgendwie in seinen eigenen Gedanken versunken, fuhr unsere kleine Gespanngruppe Kilometer um Kilometer. Was sollte man bei dem nassen Wetter auch anderes machen. Tags zuvor noch Sonne und jetzt das.
Als wir kurz nach Übertritt der Grenze zu Tschechien Cheb erreichten, hatte sich der Regen einigermaßen verzogen, uns war nach Pause zumute und wir hatten Hunger. Also steuerte unser Tourguide einen großen tschechischen Markt an.
Wir natürlich immer brav hinterher. Es wurde voller und voller, enger und enger und inmitten der vielen Marktstände und Buden quetschten wir zwischen den staunenden Menschenmassen unsere Gespanne hindurch. Ich wurde immer kleiner auf meinem Moped und hoffte nur, dass wir denselben Weg nicht auch wieder zurück mussten...
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. Lachend über diese eben erlebte skurile Situation hielten wir an einem, wie sich später zeigte, weniger schönen vietnamesischen Lokal, das sich als Massenabfertigung für all die Gäste entpuppte, die aus allen erdenklichen Gegenden diesen kuriosen Markt ansteuerten. Darunter auch sehr viel Deutsche.
Mit Bergen vollgestopfter Plastiktüten kehrten diese dann wieder mit glänzenden Augen zu ihren Fahrzeugen zurück, als sei Weihnachten und Ostern auf einen Tag gefallen. Leider war das Personal des Lokals wegen des riesigen Andrangs hoffnungslos überfordert und wir mussten sehr lange auf unser Essen warten. Dennoch hat es gut geschmeckt und wir setzten nach 1 1/2 Stunden Pause unsere Reise fort.
Der Wettergott hatte jedoch kein Erbarmen mit uns und öffnete schon bald wieder seine Pforten. Das sollte sich auch den ganzen Nachmittag nicht mehr ändern. Als wir am frühen Nachmittag erneut die Grenze, diesmal wieder nach Deutschland, überschritten und in Bärnau eintrafen, floss beim Absteigen das Wasser in Strömen von unseren Regenklamotten und Günter führte uns erstmal durch seine (trockenen) geheimen Hallen.
Im Halbdunkel des Lagers standen jede Menge kleine Schätze, die auf eine Wiederbelebung warten. Eine Sammlung von 70, 80 oder auch 100 Motorrädern? Ich habe sie nicht gezählt; aber zu jedem wusste Günter eine kleine Geschichte zu erzählen.
Der Regen hatte sich nur kurzzeitig beruhigt als wir nach Günter´s interessanter Führung zu unserem letzten Streckenabschnitt und erneutem Grenzübertritt in Richtung Pilsen aufbrachen. Mit Vollgas rauschten wir die letzten 80 km unserem Etappenziel entgegen. Thomas immer vorneweg mit eingefrorener Gashand
, wir hinterher. Der Regen klatschte uns nur so mit seinen Wassermassen entgegen. Die Visiere nass und beschlagen, die Stiefel durchweicht, hatte jeder von uns nur die Hoffnung, dass unsere betagten Gespanne jetzt bloss nicht schlapp machen.
Die Überholmanöver vorbeiziehender PKWs gestalteten sich teilweise zu riskanten Abenteuern in einer Enge, die nur wenige Zentimeter Platz zu unseren Außenspiegeln ließ. Die Zeit verstrich nur langsam, die Kälte kroch in unsere Glieder und wir fuhren zielstrebig, immer weiter mit voller Kraft voraus der tschechischen Großstadt entgegen. Ich möchte nicht wirklich wissen, wie schwer unsere Gespanne in dem riesigen Gischtnebel für andere Verkehrsteilnehmer wohl zu sehen waren, zumal es auch langsam dämmerig wurde.
Endlich erreichten wir Pilsen und bezogen Quatier, mitten in der Innenstadt in einem schönen Hotel. Der zugehörige, verschlossene Parkplatz nahm unsere Gespanne auf und im Zimmer angekommen zauberte Thomas grinsend zwei Dosen Pilsener Urquell aus dem Gepäck. Wo er die her hatte? .... ich weiß es nicht; aber was ich weiß war, dass mir das goldfarbene Getränk genüsslich durch die Kehle ging. War das ein Tag. Mit Freunden in einer schönen Gruppe, viel erlebt und am Ende noch gemeinsam so richtig nass geworden.
Nun wartete erstmal eine heiße Dusche auf uns und nach einer kleinen Verschnaufpause stürzten wir uns schliesslich ins Nachtleben der Stadt.
Von einer früheren Reise kannte ich ein kleines nettes Restaurant, ganz in der Nähe des zentralen Marktplatzes. Rustikal eingerichtet mit offenem Kaminfeuer, gerade richtig für uns. Wir bekamen einen schönen Tisch und bestellten erst einmal für jeden ein Gambrinus. Feinstes leckeres Bier!
Die typisch tschechische Küche ist deftig und sehr lecker, wenngleich ich das Essen in dem Lokal noch besser in Erinnerung hatte. Trotzdem hat es uns allen geschmeckt und die Lebensgeister nach diesem anstrengenden Tag waren wieder zurück. Dem ersten Gambrinus folgte ein Zweites, dann ein Drittes. Als Nachspeise probierten wir von dem Apfelstrudel mit Sahne, bevor wir uns zu einem Absacker in eine andere schöne Kneipe begaben.
Zurück im Hotel, fielen wir dann letztendlich gesättigt und müde in unsere Betten und ich glaube, dass jeder von uns nicht lange gebraucht hat, bis er in einen tiefen Schlaf gefallen ist.
Thomas jedenfalls hat sich hingelegt, die Augen zugemacht, noch ein „Gute Nacht Micha“ gemurmelt und war im selben Moment eingeschlafen, was ich an seinen leisen Schnarchgeräuschen feststellen konnte.
(... und dabei behauptet er immer, er schnarche nicht....)
Fazit des Tages: Keine Defekte an den Fahrzeugen.
Fortsetzung folgt.
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MZ ES 150/1 Trophy (Bj.'70), MZ ES 250/2 'Trophy de Luxe' Gespann (Bj.'70), MZ ETZ 150 Enduroumbau (Bj.´86), BMW K 75s (Bj.'86), Honda XBR (Bj.´ 85)