Liebes Forum,
mir kam vorhin bei der Konservierug eines regelrechten Artefaktes eine Idee. Wir alle hier schaudern uns gerne mal bei der Betrachtung der Einträge in der "Hitliste der schockierendsten Zustände" und bei anderen Gelegenheiten, wo mal wieder Murks abgeliefert wurde. Leider selten ist der Ausgleich, also eine Rubrik, wo exzellenter Maschinenbau und feine technische Lösungen vorgestellt werden, sodaß sich Auge und Seele daran erfreuen können. Darum möchte ich jetzt hier Maßnahmen ergreifen und hoffe auf rege Anteilnahme.
Vor bald zwanzig Jahren habe ich eine alte Schraube aus dem Schrott gerettet. Vor kurzem bin ich im Rahmen technikgeschichtlicher Recherche wieder über dieses unscheinbare Detail gestolpert und habe selbst nicht schlecht gestaunt.
Es handelt sich hier um eine der ältesten Normschrauben überhaupt, darüber hinaus war sie ca. 165 Jahre vor Ort bis sie ausgetauscht werden mußte.
Hergestellt wurde sie 1841 von der damals höchst angesehenen Maschinenfabrik John Penn & Son aus Greenwich und war in einer Schiffsdampfmaschine eingebaut, die heute noch im Raddampfer DIESBAR in Dresden ihren Dienst verrichtet (mein heutiger Arbeitsplatz). Bemerkenswert ist, außer der Tatsache, daß die Schraube so dermaßen lange gehalten hat, daß sie bereits nach Whitworth-Gewindenorm gefertigt ist. Joseph Whitworth brachte seine fertig entwickelte Norm gerade erst 1841 an die Öffentlichkeit, da setzte John Penn, den er aus der Arbeit beim Institution of Mechanical Engineers kannte, diese fortschrittliche Idee als einer der Ersten (vielleicht auch als Erster?) um. Diese unscheinbare Schraube ist also ein großes Stück Technikgeschichte. Aus heutiger Sicht besticht neben den Gebrauchsspuren, die trotz allem für eine stets pflegliche Behandlung sprechen, weiterhin die feine, handwerkliche Verarbeitung und das hervorragende Finish, was damals freilich nicht nur bei Penn selbstverständlich war. Es ist mir einfach wichtig, Euch soetwas nicht vorzuenthalten.
Das letzte Bild zeigt die Herren Penn und Whitworth gemeinsam. Das Bild stammt aus der Onlineausstellung des Londoner Sience-Museums, übrigens sehr empfehlenswert.