Bremsen: Mehr Kolben, mehr Bremsleistung?

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Bremsen: Mehr Kolben, mehr Bremsleistung?

Beitragvon Ysengrin » 26. November 2013 08:04

Hab mal ne allgemeine Frage: Moderne Motorräder haben Vier-, Sechs- oder sogar Achtkolbenbremsen. Bringen mehr Kolben wirklich mehr Bremsleistung?

Die Kraft, die ich oben am Bremshebel aufbringe, ist ja unabhängig vom Bremssattel unten immer die gleiche. Und ob sich diese Kraft dann durch 4, 6 oder 8 geteilt auf die Scheibe überträgt, ist doch mathematisch gleichgültig. Eigentlich dürfte es sogar geringfügig schlechter sein, weil ich mehr bewegliche Teile und damit auch mehr Reibung habe.

Okay, ein Grund wäre die bessere Aufnahme und Abgabe der Wärmeenergie. Eine größere Bremse mit größerem Bremsbelag hat auch mehr Oberfläche und kann deshalb mehr Energie in kürzerer Zeit aufnehmen und abgeben. Aber um das zu erreichen, könnte man doch auch eine größer dimensionierte Einkolbenbremse mit Kühlrippen nehmen.

Also warum so viele Kolben? Ist das einfach nur Angeberei ohne wirklichen Mehrwert?

Lasst mich nicht dumm sterben. :wink:

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Re: Bremsen: Mehr Kolben, mehr Bremsleistung?

Beitragvon Mainzer » 26. November 2013 08:09

Durch die Drehung der Scheibe hast du - ähnlich wie bei der Trommelbremse - Bereiche mit höherem oder niedrigerem "Selbstanpressdruck". Mit mehreren Kolben kannst du das Ausnutzen, indem du die Kolben verschieden groß dimensionierst.
Grüße aus Schwabsburg, Nils
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Re: Bremsen: Mehr Kolben, mehr Bremsleistung?

Beitragvon LeMansII » 26. November 2013 09:26

Aber es werden doch meist 4 gleich große Kolben verbaut.

Der Vorteil liegt eher darin, dass der Bremsscheibenring recht schmal ausfallen kann bei gleicher Bremsleistung (Stichworte rotierende Masse = Kreiselkraft sowie ungefederte Masse möglichst gering halten). Heißt bei gleicher Reibfläche der Beläge: der Belag muss radial verlängert werden, da die Scheibe ja schmaler baut. Mit einem Kolben würde der Anpressdruck in den Randbereichen des Belages nicht mehr ausreichen, darum einfach 2 Kolben nebeneinander.

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Re: Bremsen: Mehr Kolben, mehr Bremsleistung?

Beitragvon Ysengrin » 26. November 2013 09:31

Leuchtet mir beides ein, auch wenn ich das mit dem Selbstanpressdruck bei einer Scheibe nicht ganz verstehe.

Ich hab übrigens schon Japanerbremsen mit unterschiedlich großen oder gleichgroßen Kolben in der Hand gehabt. So einen wirklich großen Nutzen scheint das nicht zu haben, wenn es der eine so und der andere anders macht.

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Re: Bremsen: Mehr Kolben, mehr Bremsleistung?

Beitragvon daniman » 26. November 2013 10:35

Zwischen Felgen und Riesenbremsscheiben ist oft kaum Platz um den Luftdruck stressfrei zu prüfen. Wenn man Bremssättel mit 2 Kolben "verbauen" wollte, hat man da sehr wenig Spielraum. Entscheidend ist die Gesamtfläche der Kolben. Da mehrere kleine im Durchmesser weniger Breite beanspruchen als große, verteilt man eben die Bremsfläche auf z.B. 6 kleine statt 2 große. Ausserdem verteilt sich der Bremsdruck auf der ganzen Länge der Beläge eben besser.
Grüße
Jürgen

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Re: Bremsen: Mehr Kolben, mehr Bremsleistung?

Beitragvon Feuereisen » 26. November 2013 14:08

LeMansII hat geschrieben:Der Vorteil liegt eher darin, dass der Bremsscheibenring recht schmal ausfallen kann bei gleicher Bremsleistung (Stichworte rotierende Masse = Kreiselkraft sowie ungefederte Masse möglichst gering halten).

Die ungefederte Masse erhöht sich aber evtl. wieder durch den Einsatz der großen Bremszangen...
Ich denke das es um das Vergrößern der Reibfläche im allgemeinen geht. Natürlich ist es möglich einen riesigen Kolben mit entsprechend flächigen Belägen auf eine groß dimensionierte Scheibe wirken zu lassen. Dem sind aber eben konstruktive Grenzen gesetzt. Vergleicht man Scheibenbremsanlagen von frühen Motorrädern - da waren schon ordentliche Kolben und Scheiben drin - die Dimensionen des Rades (19 oder 18 Zoll) ließen dies ja auch zu. Im Laufe der Zeit wurden die Laufräder der Sportmotorräder immer kleiner im Durchmesser - zwangsweise mußten auch die Bremsscheiben schrumpfen - bei mindestens gleichbleibender bzw. verbesserter Bremswirkung. Eine großflächige Scheibe hatte zusätzlich den Vorteil der besseren Wärmespeicherung /Ableitung - deshalb sind die Schmalen modernen Scheiben alle gebohrt. Oder man steigt wie bei Supersportlern auf Perimeterbremsen (welche an der Felge anstatt an der Nabe montiert sind) um, weil so wieder mehr Scheibenfläche bei in der Höhe schmaler Bauform erreicht werden kann.

Ich denke nicht außer acht zu lassen ist auch der konstruktive Aufbau der Hauptbremszylinder - ein geändertes Hebelverhältniss kann bei gleicher Handkraft mehr Druck erzeugen.

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Re: Bremsen: Mehr Kolben, mehr Bremsleistung?

Beitragvon LeMansII » 26. November 2013 14:45

Feuereisen hat geschrieben:
LeMansII hat geschrieben:Der Vorteil liegt eher darin, dass der Bremsscheibenring recht schmal ausfallen kann bei gleicher Bremsleistung (Stichworte rotierende Masse = Kreiselkraft sowie ungefederte Masse möglichst gering halten).

Die ungefederte Masse erhöht sich aber evtl. wieder durch den Einsatz der großen Bremszangen...
Ich denke das es um das Vergrößern der Reibfläche im allgemeinen geht. Natürlich ist es möglich einen riesigen Kolben mit entsprechend flächigen Belägen auf eine groß dimensionierte Scheibe wirken zu lassen. Dem sind aber eben konstruktive Grenzen gesetzt. Vergleicht man Scheibenbremsanlagen von frühen Motorrädern - da waren schon ordentliche Kolben und Scheiben drin - die Dimensionen des Rades (19 oder 18 Zoll) ließen dies ja auch zu. Im Laufe der Zeit wurden die Laufräder der Sportmotorräder immer kleiner im Durchmesser - zwangsweise mussten auch die Bremsscheiben schrumpfen - bei mindestens gleichbleibender bzw. verbesserter Bremswirkung. Eine großflächige Scheibe hatte zusätzlich den Vorteil der besseren Wärmespeicherung /Ableitung - deshalb sind die Schmalen modernen Scheiben alle gebohrt.


Dass die Bremsscheiben dem kleiner werdenden Raddurchmesser folgen mussten sehe ich auch so, aber das ist ja wiederum der Kreiselkraft und der ungefederten Masse geschuldet (kleineres Rad = weniger Masse/Kreiselkraft). Dass dies nicht unbedingt zwingend den Fahrkomfort erhöht musste Guzzi übrigens schmerzhaft mit der LeMans IV Serie 1 und Serie 2 lernen, wo sie wieder von 16" zurück auf 18" sind.

Feuereisen hat geschrieben:Oder man steigt wie bei Supersportlern auf Perimeterbremsen (welche an der Felge anstatt an der Nabe montiert sind) um, weil so wieder mehr Scheibenfläche bei in der Höhe schmaler Bauform erreicht werden kann.


AFAIK wurde die Perimeterbremse hauptsächlich eingeführt weil damit die Bremskraft nicht über Nabe / Speichen übertragen wird, sondern direkt übers Felgenbett auf den Reifen. Das ermöglicht wieder filigranere (und damit leichtere!) Felge, womit wir wieder bei KK und Masse wären.

Feuereisen hat geschrieben:Ich denke nicht außer acht zu lassen ist auch der konstruktive Aufbau der Hauptbremszylinder - ein geändertes Hebelverhältniss kann bei gleicher Handkraft mehr Druck erzeugen.


Was das jetzt mit dem Scheibendurchmesser zu tun hat verstehe ich nicht so ganz. Welches Hebelverhältnis meinst du denn?

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Re: Bremsen: Mehr Kolben, mehr Bremsleistung?

Beitragvon Feuereisen » 26. November 2013 15:12

LeMansII hat geschrieben:Was das jetzt mit dem Scheibendurchmesser zu tun hat verstehe ich nicht so ganz. Welches Hebelverhältnis meinst du denn?

Nicht mit dem Scheibendurchmesser - mit dem für 4 oder 6 Kolben nötigen Druck /Flüssigkeitsmenge.
Hebelverhältniss des Handbremshebels zum Betätigungszylinder.

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Re: Bremsen: Mehr Kolben, mehr Bremsleistung?

Beitragvon LeMansII » 26. November 2013 15:23

Systemdruck einer hydraulischen Bremse als Funktion der Handhebelkraft ist klar.
Aber ich verstehe immer noch nicht warum das für die Frage nach dem Unterschied Ein- zu Mehrkolbenanlagen beantwortet :gruebel:

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Re: Bremsen: Mehr Kolben, mehr Bremsleistung?

Beitragvon Feuereisen » 26. November 2013 15:39

Eine Mehrkolbenanlage benötigt evtl. mehr Flüssigkeit wenn sie überproportional zum kleiner werdenden Kolbendurchmesser wächst (6 Kolben z. Bsp. um die Bremsleistung zu erhöhen). Dafür müsste dann der Betätigungszylinderdurchmesser oder der Betätigungszylinderweg wachsen - was wiederum eine höhere Betätigungs -/ Handkraft oder längeren Hebelweg zur Folge hätte. Also wären Änderungen im Hebelverhältniss nötig um die Handkraft/ Hebelweg im Vergleich zur Einkolbenbremse nicht zu erhöhen. Damit wollte ich auf die vom TE angesprochenen Zusammenhänge eingehen :
Ysengrin hat geschrieben:Die Kraft, die ich oben am Bremshebel aufbringe, ist ja unabhängig vom Bremssattel unten immer die gleiche. Und ob sich diese Kraft dann durch 4, 6 oder 8 geteilt auf die Scheibe überträgt, ist doch mathematisch gleichgültig. Eigentlich dürfte es sogar geringfügig schlechter sein, weil ich mehr bewegliche Teile und damit auch mehr Reibung habe.

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Re: Bremsen: Mehr Kolben, mehr Bremsleistung?

Beitragvon Klaus P. » 26. November 2013 18:38

Über eine Änderung des hydr. Übersetzungsverhältnis kann aber auch die nötige Handkraft zur Erzielung eines besseren Ergebnisses verringert werden.

Baust du (ich) eine 1 Scheibenanlage auf eine 2 Scheibenanl. um, unter Beibehaltung der gleich großen Zange, wird es für die Pumpe knapp und der Druckpunkt undefinierbar.
Bei kleineren Zangen (Kolbendurchmesser) wird die Leistung besser, der Druckpunkt aber u. U. erst, wenn auch der Kolben des HBZ kleiner wird.
Das heißt etwas mehr Weg am Hebel aber fühlbarer, kein schwammiger, Druckpunkt.

(Das kann hier bestimmt jemand besser Erklären).

Gruß Klaus

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Re: Bremsen: Mehr Kolben, mehr Bremsleistung?

Beitragvon etz-251-Gespann » 26. November 2013 20:55

Gibt es da nicht einen Zusammenhang zwischen der Kolbenfläche des Zylinders des HBZ und der Kolbenflächen der Radbremmszylinder?
Ich kann ja den gleichen Anpressdruck auf die Scheibe bringen mit 2 Zylindern wie mit einem, wenn die Flächen in der Summe gleich groß sind.
Die Erklärung über Platz, Gewicht und bessere Verteilung des Anpressdruckes scheint MIR die Erklärung zu sein für mehrere filigranere Bauteile statt
einem Massiven.

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Re: Bremsen: Mehr Kolben, mehr Bremsleistung?

Beitragvon Robert K. G. » 26. November 2013 21:10

Basti: Das passt schon! Allerdings werden Bremsscheiben im ersten Moment gelocht damit sie bei Regen das Wasser besser ableiten können. Den Effekt merkt man bei der ETZ Scheibe sehr gut. Die Bremse ist bei Regen in der ersten Gedenksekunde fast wirkungslos, weil die Beläge auf der Wasserschicht richtiggehend aufschwimmen.

Gruß
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