P-J hat geschrieben:Aber ein z.B. Opel Gt, total verspoilert, mit Rover V8 Motor, oder ein Käfer mit Porsche Treibsatz und 15 Grad Sturz auf allen Rädern, das kann ich nicht verstehen.
Ich habe ziemlich klar vor Augen, was Du meinst. Ich versuche mal ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen. Ich bitte darum, nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen.
Ein H- Kennzeichen stuft ein Fahrzeug als kraftfahrzeugtechnisches Kulturgut ein. Davon abgedeckt ist auch zeitgenössisches Tuning oder Modifikationen.
Beispiel:
Da gibt es einen mattschwarzen angestrichenen Opel Kapitän von 1940 mit funktionsfähiger Holzgasanlage inklusive Dachgepäckträger mit Säcken voller Holzscheite. Das Fahrzeug hat einen sensationell originalen, patentierten Innenraum, jede sichtbare Schraube außen wie innen wirkt original bis hin zu leicht angegriffenen Zink- Druckgußteilen. Selbst die Scheinwerfer sind die originalen Artdeco- Teile. Das Fahrzeug hat keinerlei sichtbaren Rost und könnte so wie es da steht, jederzeit in einem Film über den Untergang des Dritten Reiches mitwirken. Wer das Auto neu lackiert,
alles neu verchromt und die Holzgasanlage entfernt, zerstört einen unwiederbringlichen Zeitzeugen. (Das Auto gibt es wirklich.)
(Fiktiv:) 1959 läuft dem Besitzer eines 52er Bretzelkäfers ein total verunfallter Porsche 356 zu, dessen Motor den Crash überlebt hat. Bei der alljährlichen "Rallye um den Wieauchimmerberg" gibt es eine Klasse für Eigenbauten bis 1600 ccm. Der Bretzelmann baut den Motor in seinen Käfer, modifiziert die Bremsanlage, besorgt sich Tiefbettfelgen und dreht die Achse tiefer. Obendrein macht er aus dem Bretzelfenster einen Ovali, weil moderner. Er besteht die technische Abnahme, fährt ein paar Jahre Rennen, gewinnt vielleicht sogar mal einen Pokal und schafft es in die Lokalzeitung. Autos wie seines gab es eine ganze Menge, von den Umbauten lebten damals diverse Zubehöranbieter.
50 Jahre später: a.) wird der Porschekäfer aus einem Schuppen gezogen. Der Lack hat Macken und Roststellen, ein Kotflügel eine Delle von einem Abflug, aber die originale Werbung von Gulf ist noch drauf. Die Technik wird restauriert, die Optik bleibt so, nur der Rost wird am Weiterrosten gehindert.
b.) wird der Porschekäfer aus einem Schuppen gezogen und komplett restauriert, inklusive der Gulflackierung.
c.) wird der marode Porschekäfer aus einem Schuppen gezogen und zu einem originalen Bretzelkäfer zurück verwandelt
d.) entdeckt der Enkel des Bretzelmannes die alte Zeitung, die Fotos, die Pokale und sagt das hätte ich auch gerne. Leider gibt es das Auto nicht mehr. Der Opa hat noch ein paar Zeichnungen herumliegen, ein maroder Bretzelkäfer wird besorgt, ewig nach einem bezahlbaren 356- Motor und Felgen gesucht. Dann wird nach dem historischen Vorbild das Auto inklusive Lackierung nachgebaut.
E.) Der Enkel des Bretzelkäferbesitzers entdeckt die alte Zeitung und denkt, boah, sowas will ich auch. Aber 60 PS ist viel zu wenig. Also wird ein schrottfreifer 70er Jahre Mexikokäfer besorgt, optisch auf Ovali und alt getrimmt, wie der alte Renner lackiert, ein Einspritzer - Wassermotor aus einem Boxter reingewürgt und ein erst seit zwei Jahren erhältliches KW - Gewindefahrwerk und Baumarktalus verbaut. Sprit ist teuer, also kommt noch eine sequentielle Gasanlage von Prins rein und eine elektrische Servolenkung, weil es sich so schwer lenkt. (Leicht übertriebenes Extrembeispiel - nicht zeitgenössisch. )
A bis D ist machbar, bei E habe ich einfach mal alles, was nicht passt, zusammengeschmissen.
F.) Der Enkel des Bretzelkäferbesitzers hat einen VW Ranz, der gerade 30 Jahre alt geworden ist. Der Lack ist eher nicht gepflegt, hat nicht behandelte Steinschläge und ein paar Lackschäden, die mit der Spraydose ausgebessert sind. Leider passt der Farbton nicht so ganz, die Spachtelarbeit ist nicht sehr professionell gemacht. Der Auspuff wurde aus Geiz 500 000 mal geschweißt, der Unterboden gleichermaßen, überall ist als Ausgleich reichlich Bauernblind gestrichen, die Stahlfelgen sind rostig, die Sitze fleckig und die Teppiche nicht sehr sauber, dafür liegen die schicken Chromoptikfußmatten aus dem Baumarkt drin. Im Kofferraum liegt ein Sammelsurium von Zeug. Die Reifen sind fünfzehn Jahre alt, auf jedem Rad ein anderes Fabrikat. (Kein Oldtimer, ein eher ungepflegtes Alltagsauto.)
"Auf dem Grabstein des Kapitalismus wird einmal stehen: Zuviel war nicht genug!" (Volker Pispers)
"Ich kann das nicht!" ist die falsche Einstellung. "Ich kann das noch nicht!", muß es heißen.
Ziel für 2021: Berlin Marathon in 04:00. Trotz Asthma.