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Vorschlag - Artikel für die Wissensdatenbank / Wedis

BeitragVerfasst: 5. April 2008 12:28
von ETZploited
OK, ich habe versucht, die (hoffentlich) gewonnenen Erkenntnisse in einem kurzen Aufsatz zusammenzufassen.
Wie bereits mit Andreas abgestimmt, soll er bei hinreichender Qualität in der forumseigenen Wissensdatenbank abgelegt werden.

In diesem Sinne dürft ihr euch aufgefordert fühlen, konstruktive Kritik einzubringen.
("Konstruktiv" heißt insbesondere, daß ich mir Schelte wegen unscharfer Fotos verbitte - ich kann das nicht besser.)
Spaß beiseite, bitte prüft das sorgsam.

An dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank und viele Grüße an Martin H. !
Er hat freundlicherweise Bilder von seiner Silverstar-Gabel zur Verfügung gestellt.

Arne



[hr]

Kleine Kunde zu Radial-Wellendichtringen

Radial-Wellendichtringe (RWDR) dienen zur Abdichtung rotierender Wellen gegen das Gehäuse. Eine Sonderanwendung ist die Abdichtung der Teleskopgabel von Motorrädern.
Sie werden nach ihrem Erfinder umgangssprachlich auch als „Simmerringe“ bezeichnet.



1. Aufbau und Bezeichnung

RWDR unterscheiden sich durch Abmaße, Material und Bauform. Die Bezeichnung der letzteren variiert je nach Hersteller. Als Referenz hierzu soll die Bezeichnung der Bauformen der RWDR des bekannten Herstellers Simrit/Freudenberg (www.simrit.de) dienen.


Aufbau und Bauformen

Bild
Abb.1 BA-Ring im Schnitt

(1) Metallring
(2) Dichtlippe
(3) Wurmfeder
(d) Innendurchmesser (Welle)
(D) Außendurchmesser (Gehäuse)
(b) Höhe

Die Bauform BA (Abb.1) ist die typischste. Die „offene“ Seite (mit der Wurmfeder) zeigt beim Einbau zur Druck- bzw. Flüssigkeitsseite, gegen die abgedichtet wird. Andernfalls wird die Lippe nicht an- sondern weggedrückt, womit die Dichtwirkung verloren geht.

Die Abmaße des RWDR werden in der Form d x D x b angegeben, bzw. d – D – b. Die Bauform wird als Nachsatz angegeben (zumindest, wenn sie sich von der Standardbauform BA unterscheidet), zusätzlich das Material der Ummantelung.

Beispiel: RWDR 25x35x7 BASL NBR, wie in Abb.2 (Abtrieb EM250 mit optionaler Staublippe)

Bild
Abb.2 BASL-Ring

(4) Staublippe

Die Bauform BASL (Abb.2) unterscheidet sich von BA durch eine zusätzliche Abstreif- bzw. Staublippe für die Welle, die einen besonderen Schutz vor eindringendem Schmutz gewährleistet. Umgangssprachlich werden solche RWDR als „doppellippig“ bezeichnet.

Bild
Abb.3 BABSL-Ring

(41) erhöhte Staublippe
(b1) Gesamthöhe mit Staublippe

Die Bauform BABSL (Abb.3) ist wie BASL aufgebaut, wobei jedoch der innere Metallring (1), Abb.1 zur Versteifung des Rings wesentlich näher an die Welle ragt. Daraus resultiert eine erhöhte Staublippe (41), die unter Umständen äußeres Erkennungsmerkmal des BABSL ist. RWDR dieser Bauform sind für besonders hohe Druckbelastungen ausgelegt.
Die Höhe mit Staublippe schlägt sich in der Angabe der Abmaße nieder, z.B. d x D x b / b1 oder d x D x b ( b1 ).


Material

Die Ummantelung von RWDR besteht aus Kautschuk (Polymere).
Nennenswert sind hier insbesondere zwei Materialien, NBR und FPM bzw. FKM (auch als Viton bekannt).

- NBR (Nitrilkautschuk) weist hohe Elastizität und hohe Beständigkeit gegenüber Ölen auf. Die Quellbeständigkeit insbesondere gegenüber Superkraftstoffen ist mäßig.

- FPM (Fluorkautschuk) steht im Hinblick auf die mechanische Belastbarkeit NBR nach, zeichnet sich aber durch die hohe Resistenz gegen Kraftstoffe mit hoher Oktanzahl wie Super Benzin aus.

In diesem Sinne ist die Verwendung von RWDR aus FPM bei Kontakt zu Kraftstoff (Abdichtung des Kurbeltriebs) gegenüber NBR zu bevorzugen, während sich bei der Teleskopgabel der Einsatz von RWDR aus NBR empfiehlt.



2. RWDR in der Telegabel mit Durchmesser 35mm


Obwohl allgemein üblich, ist die Anwendung von RWDR in der Telegabel kritisch zu betrachten, da hier die Belastung nicht radial, sondern axial erfolgt.
In diesem Sinne ist eine geeignete Bauform zu wählen.

In der DDR wurden RWDR des Typs D35x47x7 S1 nach TGL 16454 für sämtliche Fahrzeuge mit der Telegabel mit Durchmesser von 35mm des Führungsholms verbaut (Beachte: tatsächlich S1 und nicht St, wie in diversen Ersatzteillisten im World Wide Web gelistet).
Soweit bekannt, entsprechen diese der Bauform BASL, wobei S1 eine extra versteifte Abstreiflippe bezeichnet. Sie übernimmt hier eine Stützfunktion und dient nicht allein dazu, Schmutz fernzuhalten.

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Abb.4 RWDR D35x47x7 S1

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Abb.5 D35x47x7 S1 im eingebauten Zustand


Bei den Nachwendemodellen, insbesondere denen mit der Motorisierung von Rotax, wurde die Telegabel mit BABSL-Ringen ausgerüstet, wie Abb.3.

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Abb.6 RWDR 35x47x7/9 BABSL im eingebauten Zustand

Simrit/Freudenberg bestätigt, dass i.a. nur mit dem Einsatz der Bauform BABSL eine zuverlässige Abdichtung der Telegabel erwartet werden kann.

Ungeachtet dessen werden im Ersatzteilhandel für MZ Gabeldichtringe angeboten, die zwar eine erhöhte Abstreiflippe besitzen, aber anscheinend nicht von der Bauform BABSL sind. Die Erhöhung der Abstreiflippe allein gewährleistet keine ausreichende Tragfunktion. Dieser Ring ist in Abb.7 und 8 zu sehen.

Bild
Abb.7 RWDR 35x47x7/12, Hersteller TCK

Bild
Abb.8 35x47x7/12 im eingebauten Zustand


Es empfiehlt sich also, beim Kauf darauf zu achten, dass es sich um BABSL-RWDR handelt.
Leider kann die Bauform oft nicht unbedingt benannt werden oder ist nicht ersichtlich.
Daher sollte man gezielt nach Gabeldichtringsätzen für die Rotax-MZ oder alternativ bei Marken mit Modellen mit gleichen Abmaßen der Gabeldichtringe (z.B. BMW und Moto Guzzi) suchen.
Entsprechende Gabelring-Sätze werden z.B. von den Herstellern Ariete und P&W angeboten.



3. Montagehinweise

Frühzeitiger Ausfall von RWDR kann von Montagefehlern herrühren. Hier ist auf eine ausreichende Initialschmierung zu achten.
Vor der Montage sollte die Dichtlippe mit Montagepaste behandelt werden (z.B. MoS2-haltiges Fett), behelfsmäßig Öl (Getriebe- oder Gabelöl).
Bei doppellippigen RWDR sollte in den Raum zwischen Dicht- und Abstreiflippe ebenso Montagefett eingebracht werden.

Beim Einsetzen der RWDR ist darauf zu achten, dass sie nicht durch evtl. Grate beschädigt werden können. Sie sind vorsichtig gleichmäßig einzudrücken, wobei keinesfalls gegen die Dicht- oder Staublippe gedrückt werden darf.

Sollte sich dabei die Wurmfeder lösen, ist sie spannungsfrei (d.h. nicht in sich verdreht) wieder einzusetzen. Sicherer ist es, einen solchen RWDR nicht mehr zu verwenden.


Alle Angaben ohne Gewähr.

BeitragVerfasst: 6. April 2008 11:52
von Andreas
Danke für die Arbeit Arne.
Ich habe es mal vom eigentlichen Beitrag abgetrennt.

Ich würde das Ding gerne in einer Woche in die KB verschieben.......also bitte mal drüberlesen ....

BeitragVerfasst: 6. April 2008 12:39
von kutt
bin begeistert ...

von dem dritten mache ich mal ein schärferes bild ;) von dem dtritten ring ..

.. wenn meine digicam fertig geladen ist ;)

BeitragVerfasst: 6. April 2008 12:52
von ETZploited
kutt hat geschrieben:von dem dritten mache ich mal ein schärferes bild ;) von dem dtritten ring ..


Danke, das ist gut.
Bei Gelegenheit erklärst du mir am besten mal, wie man richtig fotografiert (Makroaufnahme und so). Ich bin eigentlich zuversichtlich, daß ich es dann endlich kapiere :mrgreen:

BeitragVerfasst: 6. April 2008 13:00
von trabimotorrad
Aber der Bericht ist absolut super. Klar und verständlich und gut bebildert. Danke an den/die Macher!
Sowas hätten wir in der Berufsschule damls haben sollen, als wir das Thema Dichtringe durchgenommen haben, dann wüßte ich heute auch noch etwas mehr davon :oops:

BeitragVerfasst: 6. April 2008 14:53
von alexander
Sehr schoen!!

Stellt ihn doch auch in die Knowledgebase.

BeitragVerfasst: 6. April 2008 15:02
von Nordlicht
Klasse gemacht :gut:

BeitragVerfasst: 6. April 2008 15:18
von kutt
alexander hat geschrieben:Stellt ihn doch auch in die Knowledgebase.



das wird natürlich auch gemacht

BeitragVerfasst: 6. April 2008 15:54
von TeEs
Ergänzung unter Montage vielleicht noch der Hinweis (der eigentlich selbstverständlich sein sollte), dass beim eindrücken in den Sitz keinesfalls auf/gegen die Dicht- oder Staublippe gedrückt werdendarf.

Sollte einmal jemandem die Wurmfeder "herausrutschen", ist beim Wiedereinlegen unbedingt darauf zu achten, dass sie nicht in sich verdreht ist und dadurch unter Spannung steht. Sie wird dann ziemlich sicher im Betrieb wieder herausrutschen.

BeitragVerfasst: 6. April 2008 16:20
von ETZploited
TeEs hat geschrieben:Ergänzung unter Montagevielleicht noch der Hinweis (der eigentlich selbstverständlich sein sollte), dass beim eindrücken in den Sitz keinesfalls auf/gegen die Dicht- oder Staublippe gedrückt werdendarf.


Das hab ich ganz einfach vergessen. Bessere ich nach. ;-)

Sollte einmal jemandem die Wurmfeder "herausrutschen", ist beim Wiedereinlegen unbedingt darauf zu achten, dass sie nicht in sich verdreht ist und dadurch unter Spannung steht. Sie wird dann ziemlich sicher im Betrieb wieder herausrutschen.


Hm, ich würde in einem solchen Fall den WDR lieber reklamieren (oder wenigstens nicht einbauen). Da hätte ich nämlich den Verdacht, daß die "Verschraubung" der beiden Wurmfederenden nicht in Ordnung ist.

Du hattest zwar schon mal beschrieben, wie man's richtig macht, aber ein bißchen fingerfertig möchte man da sein. Ich würde das lieber nicht allgemein empfehlen...

BeitragVerfasst: 6. April 2008 16:23
von TeEs
ETZploited hat geschrieben:Du hattest zwar schon mal beschrieben, wie man's richtig macht, aber ein bißchen fingerfertig möchte man da sein. Ich würde das lieber nicht allgemein empfehlen...

Wer sich nicht sicher ist, sollte es so machen, wie du schreibst, oder sich von jemand zeigen lassen wie es geht.

BeitragVerfasst: 6. April 2008 23:39
von junkmill
Ausgesprochen lobenswerte Orthographie! Ist in Foren durchaus nicht üblich. Und auch sonst absolut lehrreich. Obwohl grad meilenweit von RWDR-Wechseln entfernt, bin ich jetzt schon froh, den Artikel gelesen zu haben... :gut:

BeitragVerfasst: 7. April 2008 18:33
von kutt
da:

Bild

BeitragVerfasst: 7. April 2008 20:58
von ETZploited
kutt labert nicht, der lädt einfach seine Digicam ;-)

- Danke.