von Ohelm » 17. Juli 2009 19:10
Hallo zusammen,
seit einiger Zeit besuche ich ganz heimlich dieses Forum und nun habe ich mich dann doch noch angemeldet - damit ich auch die Bilder sehen und Euch mit meinem Senf beglücken kann. Und weil sich's so gehört, wollt ich mich grad vorstellen:
Zur MZ gekommen bin ich wie die Jungfrau zum Kind. Biker war ich nie, hatte den Motorradschein halt mit dem Auto zusammen gemacht, später den 27PS Lappen auf bürokratischem Weg offen gemacht... doch Biker war ich nie. In der Zeit davor, von 87 bis 89, fuhr ich Vespa und habe mir aufgrund der miserablen Straßenlage einen gehörigen Respekt vor Zweirädern eingebrannt, den ich schwer wieder los werde.
Aus einer Bierlaune heraus habe ich mir vor ca. 5 Jahren mit einem Freund zusammen ein uraltes Motorrad gekauft. Dass es eine MZ war, stand in der Zeitungsanzeige. Was genau das Modell "ES" ist... keine Ahnung. Aber es war ein Beiwagen dran.
Als der Verkäufer uns verabschiedete, fing's an zu regnen. Die 30 km nach Hause endeten schon nach den ersten 10 Minuten. Es wurde Abend. Gefühlte zweitausend Mal sind mein Freund und ich auf dem Kickstarter herumgesprungen, bis er dann mit dem Auto weg fuhr und nach zwei Stunden mit nem Hänger die MZ und mich abholte. Da hörte auch der Regen auf.
In der Folgezeit konnte man mit dem Motorrad zur Eisdiele fahren. Einer musste zu Hause bleiben und bei Telefonanruf eine Ersatzbatterie von zu Hause vom Ladegerät nehmen und dann zur Eisdiele bringen. Später haben wir das verfeinert. Die Fahrt zur Eisdiele war nun ohne externe Service Crew möglich. Wir hatten im Beiwagen Ersatzzündkerzen, Lappen und eine Autobatterie mit Überbrückungskabel.
Eine elektronische Zündung brachte Abhilfe - wohlgemerkt immer noch 6V - damits wenigstens etwas authentisch bleibt. Dabei manifestierten sich gewisse Typenbezeichnungen, von denen wir bislang nichts wussten... "ES" heißt es. 250/1 wohl... oder 250/0 vielleicht.
Übermütig packte ich spontan meine Freundin in den Beiwagen und wir fuhren (rund 200km) nach Bremen und (fast) zurück. Der Beiwagen zog fürchterlich nach rechts. Auf dem Hinweg verloren wir den Soziussattel (und fanden ihn nicht mehr wieder). In Bremen reparierten wir den Gasgriff. Langsam begann ich, die Maschine zu begreifen.
Auf dem Rückweg kam dann das Aus. Drei Stunden in glühender Sonne auf dem Kickstarter herumgesprungen, zur Tankstelle getrampt, Reservekanister gekauft, das war's nicht mal, Vergaser geschraubt, Freund mit Anhänger angerufen.
Später stellte sich heraus, dass sich das Innenleben des Vergasers zerlegt hat.
Es folgten ca. vier Jahre Pause.
Nun im Frühjahr hatte ich plötzlich "Auto-Not". Wir hatten nur noch eins und das sollte nun eine Woche ausfallen. Ein Anruf bei meinem Bekannten, dem Mitbesitzer ergab: Ja, die MZ steht noch trocken in der Garage, die Reifen wären platt, Tüv hätte er wohl kürzlich gemacht, aber fahren würde er damit nicht. Den Tüvprüfer hat's wohl fast vom Bock geschmissen. Selbst eine Geradeausfahrt mit 20km/h sei nicht möglich. Das Gespann würde dermaßen "schlackern", dass man sich fast überschlagen würde. Der Tüvprüfer sei käsebleich abgestiegen, hat gesagt, wir sollten mal die Luft aufpumpen und hat seine Plakette drauf geklebt. Ja und die Blinker sollten wir noch reparieren bitte. Wie gesagt: Mein Bekannter riet mir ab, mit der MZ zu fahren, denn mit oder ohne Luft - das Schlackern bliebe.
Ich fuhr sie in Schrittgeschwindigkeit ca. 10km zu mir nach Hause... und da hat mich das Schrauber-Virus gepackt. In den ersten 10 Tagen hatte ich ungefähr 20 Pannen - also solche mit "Schrauben am Straßenrand". Das Schlackern war ein Defekt im Lenkungsdämpfer und ein schwabbeliger Beiwagen (Bleche eingerissen und Schrauben fehlten). Das war kein Stoye Elastik, sondern ein Stoye "Schwabbel". Kupplungsdefekte hatten ihre Ursache in einer durchrutschenden Kupplungseinstellscheibe (das Ding links unter dem Gehäusedeckel). Schrauben des Vergaserdeckels lösten sich (unbemerkt), was zu willkürlichen Motordrehzahlen führte. Auch die untere Hälfte des Vergasers fiel öfter ab, was zu plötzlicher "Spritarmut" im Tank führte...
Ich spendierte der ES endlich wieder die dritte "Motorblockimrahmenhalteschraube"... irgendwie waren immer nur zwei da. Beim Einbau bemerkte ich, das von den zweien eigentlich nur eine da war - denn die andere war gerissen.
Danach war das Vibrieren der ganzen Maschine wesentlich erträglicher.
Beim Warten vor dem Bahnübergang bemerkte ich, dass der rechte Gehäusedeckel lose war. Der Motor hat ihn "abgesprengt". Es purzelten mir diverse Metallteile, Klötze, Späne, Alugussteile in der Größe von Gesellschaftsspielwürfeln entgegen... Es handelte sich um die Reste der Tachowellenschneckengetriebes. Seine Befestigungsschrauben haben sich im Gehäuse gelöst, von innen gegen den Motorgehäusedeckel gedrückt... so stark, dass er mitsamt seiner Gehäuseschrauben abgesprengt wurde.
Es gab auch "normale" Pannen. Putzlappen, die unter dem Sitz in den Luftfilter geraten sind z.B.
Und es machte immer mehr Spass, die Pannen wurden weniger, die Maschine wurde immer zuverlässiger. Zum Einkaufen nahm ich nicht mehr das Auto - auch wenn's da war, sondern das Gespann. Wenn's regnete, nahm ich nicht das Auto, sondern das Gespann und die alte Gummihose aus dem Anglerzubehör.
In der Zwischenzeit kann ich sagen, dass meine ES funktional 1A ist. Sie sieht zwar rattig aus, was ich vielleicht sogar absichtlich so lasse, aber sie läuft. Richtig gut. Sie blinkt jetzt wieder (dank Kondensator statt Batterie), der Bing Vergaser funktioniert, der Zylinder ist frisch gehont, zur Zeit steht sie ein paar Tage, da sie (das mach ich nicht selbst) komplett gelagert wird. Ein fahrender Schrotthaufen... scheinbar. Denn Rost sucht man vergebens. Und wenn man hin hört, dann schnurrt sie wie eine Katze. Der Stoye fährt geradeaus. Besser geht's nicht. Selbst in Kurvenfahrten und Serpentinen habe ich keine Kraft am Lenker. Allein die Gewichtsverlagerung lenkt das Gespann, völlig anstrengungsfrei. Müsste ich nicht den Gasgriff festhalten, könnte man mit dem Stoye freihändig Kurven fahren.
Man mag's kaum glauben. Der Virus hat mich gepackt. Seit 20 Jahren den Motorradführerschein nicht genutzt und jetzt will ich gar nichts anderes mehr. Schrauben, fahren, fahren schrauben...
Ach so, ja, es ist übrigens definitiv eine 59er ES 250/0, wahrscheinlich mit Austauschmotor (unten in der Mitte Rippen), mit Stoye (nicht "super-") Elastik.
Bilder folgen, sobald nächste Woche der Motor wieder drin ist.
Bezüglich "Originalität" tendiere ich im Moment eher in die Richtung "custom" - bei Bedarf vollständig rückbaubar. Da ich Möchtegernperfektionist bin und das Bild der Top restaurierten türkisen ES Doppelport kenne, das hier immer wieder durchs Netz geistert, bin ich Realist genug, mir doch ein anderes erreichbares Ziel zu setzen... Ich werd' sie wohl "verbasteln". Ich mach ja nichts kaputt dabei.
Grüße,
Axel
Fuhrpark: 59er MZ ES 250 mit Stoye (nicht super-) elastik.