alles was ich schon mal über das Einfahren wissen wollte ...

Motor, Antrieb, Vergaser, Getriebe.

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alles was ich schon mal über das Einfahren wissen wollte ...

Beitragvon Falk » 11. Februar 2008 12:37

Halli Hallo Foristi,
Ich hatte schon lange ein mal die Absicht diesen Text abzuschreiben, ihn hier rein zu stellen und nach der Meinung ambitionierter MZler zu fragen.
Nun hier ist er ...

(Natürlich übernimmt der Verfasser und auch ich keinerlei Garantie oder Verantwortung in jeglichem Fall, sozusagen ist der Rechtsweg ausgeschlossen. ;-) )

Das Bessere Einfahren

Es ist falsch, einen neuen Motor häufig im Leerlauf tuckern zu lassen, ohne ihn auf Temperatur zu bringen. Er soll dann angetreten werden, wenn die ersten hundert Kilometer zu fahren sind; das bekommt dem Motor am besten.

Vor der Jungfernfahrt wird das Fahrzeug überprüft. Am Vergaser wird die Düsennadelstellung nach der Angabe in der Betriebsanleitung kontrolliert, ebenso die Hauptdüse (der Wert der Hauptdüse ist auf den Düsenrand geschlagen). Die Funktion der Bremsen wird kontrolliert und vor allem werden alle erreichbaren Muttern nachgezogen. Die Erfahrung lehrt, daß an diesen Stellen noch sehr viel getan werden kann. Bei Viertaktmotoren wird im Kurbelgehäuse der Ölstand geprüft. Gleichzeitig überzeugt man sich von der vorschriftsmäßigen Ölfüllung im Getriebe und gegebenenfalls im Kardan. Zuletzt wird am Gasdrehgriff gut sichtbar mit einem schwarzen Strich etwa Drei-Viertel-Gasschieberöffnung markiert.

Dieser Strich wird sich später als sehr zweckmäßig erweisen. Für das Einfahren der Maschine wird möglichst ein windstiller Tag gewählt und, mit einer Uhr bewaffnet, die Autobahn aufgesucht. Dort kann man sich am ehesten der Maschine widmen, ohne mit beiden Augen un Ohren am übrigen Verkehr hängen zu müssen.

Es ist vorteilhaft, wenn zur Autobahn 50 bis 70 km in normalen Straßenverkehr zurück gelegt werden müssen. Die einzelnen Gänge können unbeschadet ausgefahren werden. Das hat nichts mit Schinderei oder Angabe zu tun. Der Motor muß drehen lernen. Es ist erstaunlich, daß er dazu oft recht lange braucht. Beim Beschleunigen keine Angst vor Vollgas. Für zügiges Fahren genügt auch die markierte Stellung von Drei-Viertel-Gas. An Steigungen darf der Motor niemals in niedrigen Drehzahlen schuften, sondern es muß auf den nächstkleineren Gang herunter geschalten werden.

Ist die Autobahn erreicht, so wird dort der erste Vollgasversuch über längere Zeit unternommen. Die linke Hand liegt dabei griffbereit an der Kupplung, um nötigenfalls einen Klemmer abfangen zu können. Das Ohr kontrolliert den Ton des Motors. In der Regel kündigt sich ein Kolbenklemmer durch verändertes Motorengeräusch an: der Klang des Motors wird metallisch heller, gleichzeitig lässt die Geschwindigkeit nach. Nur sehr selten tritt ein Kolbenklemmer blitzartig, ohne vorherige Anzeichen auf. Die erreichte Höchstgeschwindigkeit wird in Gedanken notiert und die Zeit festgehalten, über die der Motor bei normalem Ton Vollgas vertragen kann. Der erste Vollgasversuch soll sich nicht über mehr als 30 bis 60 Sekunden erstrecken. Danach wird der Gasdrehgriff in die markierte Stellung von Drei-Viertel-Gas gebracht. Die Höchstgeschwindigkeit wird noch nicht den katalogwert erreichen.

Beim Gaswegnehmen ist festzustellen, daß ein ganze Stück zurückgegangen werden kann, ohne daß die Geschwindigkeit nachläßt. Der Motor verbraucht noch viel Kraft zur Überwindung der Eigenreibung.

Beim ersten Vollgasversuch muß genau die Reaktion des Motors auf die Gasschieberstellung beobachtet werden. Sollte der Fall auftreten, daß der Motor beim Aufziehen von Drei-Viertel-Gas auf Vollgas in der Zugleistung merklich nachläßt, so ist die Hauptdüse zu klein und muß durch eine nächstgrößere Düse ersetzt werden. Wird das unterlassen, so wird sich später bei anhaltendem Vollgasbetrieb mit Sicherheit ein Kolbenfresser wegen zu mageren Gemisches einstellen.

Nach weiteren 20 km Fahrt mit Drei-Viertel-Gas wird der Gasdrehgriff wieder voll aufgezogen und die Zeit gemessen, innerhalb der der Motor um 10 km/h beschleunigt. Außerdem wird die erreichbare Höchstgeschwindigkeit notiert. Mit Gasdrehgriff auf dem Markierstrichwird weitergefahren. Langsam wird die Tachometernadel bei dieser Gasstellung um zwei bis drei Kilometer klettern. Der Motor wird allmählich freier. Steigungen können bedenkenlos mit Vollgas genommen werden, wenn sie nicht sehr lang sind. Solange die Geschwindigkeit dabei 20 bis 25 Prozent unter der angegebenen Höchstgeschwindigkeit bleibt, geschieht dem Kolben nichts.

30 km später wird der dritte Vollgasversuch unternommen und das Ergebnis mit den beiden vorhergehenden Versuchen verglichen. Wurde der Motor auf den bisher zurückgelegten Kilometern konzentriert beobachtet, so lassen sich recht gut Änderungen in der Klangfärbung wahrnehmen und bevorstehende Klemmer erkennen. Jetzt wird Vollgas stehengelassen. Mit der Hand an der Kupplung und dem Ohr am Motor, Auge auf der Uhr wird fest gestellt, in welchem Maße der motor freier geworden ist.

Wiederholt wird nach jeweils 15 bis 20 km die Zeit gemessen, die notwendig ist, um mit Vollgas 10 km/h zu beschleunigen. Für einen freigefahrenen Motorwerden dazu je nach Größe des Motors 5 bis 8 Sekunden notwendig sein. Nach 150bis 200 km Gesamtfahrstrecke wird der Motor merklich freier geworden sein, wenn er keine inneren Mängel aufweist. Er muß mindestens 5 Minuten lang Vollgas aushalten und wird das in der Regel auch. Nach längstens 350 km haben sich die Kolbenringe eingelaufen und dichten einwandfrei ab. Danach beginnt der Motor seine höchste laufleistung abzugeben, und der erste entscheidende Abschnitt ist beendet.

Bei Viertaktmotoren empfiehlt sich, nach der Einfahrstrecke den ersten Ölwechsel vorzunehmen. Das Öl enthält nach dieser Prozedur einen hohen Anteil Metallischer Abriebteilchen von Kolbenringen und Zylinder. Weiter werden vom heißen Öl eventuell zurückgegliebene Gußsandreste ausgespült, die sich in der Ölwanne sammeln. Es wäre an der falschen Stelle gespart, wollte man das verunreinigte Öl länger im Motor belassen.
Nach etwa 350 km konzentrierten Einfahrens wird das Fahrzeug nahezu seine angegebene Höchstgeschwindigkeit erreichen. Wer ganz sicher gehen will, benutzt außer dem Tachometer eine Stoppuhr und mißt die Zeit für einen fliegenden Kilometer (Anfang und Ende der Strecke mit Höchstgeschwindigkeit durchfahren), soweit sich die erreichte Geschwindigkeit mit der Straßenverkehrsordnung in Einklang bringen läßt. Sehr häufig wird die Messung von Wind verfälscht. Um bei einer Geschwindigkeitsmessung sicher zu gehen, muß die Meßstecke in beiden Richtungen durchfahren und der Mittelwert aus beiden Zeitmeßungen errechnet werden.

Sollte das Einfahren nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben und das Fahrzeug noch sehr weit von der Höchstgeschwindigkeit entfernt sein, die in der Betriebsanleitung versprochen ist, wird das Motorrad zu Hause zuerst eingehend auf die Leichtgängigkeit aller Übertragungsteile überprüft, angefangen von den Rädern und freigehenden bremsen über Kardan oder Kette bis hin zum Getriebe. Können keine Mängel entdeckt werden, die die fehlenden Stundenkilometer erklären, so wird vorsichtigerweise eine weitere Einfahrstrecke von 200 bis 300 km mit ähnlicher Belastung des Motors zugegeben. Zeigt der Motor immer noch keine ausreichende Leistung, so liegt im Motor ein Fehler vor. Entweder ist der Motor durch schlechte Montage schwergängig oder es liegen Maßfehler in den einzelnen Triebwerksteilen vor. Auf alle Fälle empfiehlt es sich, den Motor einer genauen Durchsicht zu unterziehen.

Ist das Fahrzeug neu und die Garantiezeit noch nicht abgelaufen, so ist das unbedingt einer Werkstatt zu überlassen. Bei eigenmächtiger Demontage wird vom Herstellerwerk die Garantieleistung abgelehnt. In diesem Punkt empfiehlt sich also Vorsicht.
Liegt kein Garantieanspruch vor, so empfiehlt es sich, alle Arbeiten selbst vorzunehmen, wenn die Möglichkeiten dazu vorhanden ist. Umfassende Kenntnis von den inneren Teilen des Motors garantiert zugleich seine sachkundige Behandlung im Fahrbetrieb, selbst wenn dabei einmal Lehrgeld bezahlt werden muß.

Bei Zweitaktmotoren kann der Fehler in versetzten Kanälen liegen. Zur Kontrolle wird der Zylinderdeckel abgenommen und festgestellt, ob der Kolben im unteren Totpunkt die Überströmkanäle voll frei gibt. Die Oberkante des Kolbens muß mit der Unterkante der Kanäle abschließen. Zur Überprüfung des Einlaßschlitzes wird die obere Totlage des Kolbens in die markierte Stellung gebracht. Gibt der Kolben den Einlaßkanal nicht frei, so können die störenden Kanten am Kolbenschaft weggefeilt werden.

Bei Viertaktmotoren können Fehler an mehreren Stellen liegen. Zuerst werden die Ventile auf Dichtheit geprüft. Dazu wird bei abgebautem Zylinderkopf in den Ansaug- oder Abgaskanal etwas Kraftstoff gegossen und beobachtet, ob er durch das geschlossene Ventil hindurch in den Brennraum sickert. Nötigenfalls müssen die Ventile neu geschliffen werden. Eine sehr häufige Ursache für fehlende Spitzenleistungen sind ermüdete Ventilfedern. Bei nachlassender Federspannung führen die Ventile bei höheren Drehzahlen nicht mehr die von der Nockenwelle vorgeschriebene Bewegung aus, sondern lösen sich ab. Abhilfen kann hier in manchen Fällen eine Vergrößerung der Federspannung durch untergelegte Scheiben bringen. Am sichersten ist es aber, einen Satz neuer Ventilfedern einzubauen.


Der Text wurde unverändert der Qulle, "Mein Motorrad" von Heinz Seyfert des Transpress VEB Verlag Für Verkerhswesen Berlin von 1966, übernommen.

So nun zu euren Meinungen. Was sagt ihr?!
überholt
einleuchtend
gefährlich
...

Bitte um eine Diskussion, Gruß Falk :wink:

PS: gut find ich noch den Artikel über den Umgang mit Kolbenklemmern, den werde ich auch mal abschreiben ... :lol:
Wenn ich alles wüsste, was ich eigendlich wissen müsste, wäre es nur halb so lustig.

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Beitragvon kutt » 11. Februar 2008 13:33

manomann da muß man ja studiert und gleichzeitig ein gutes gedächtnis haben, um auf der bahn alles richtig zu machen :D
hast du das mal so probiert?

wenn wir bei so alten beschreibungen sind, dann würde ich die von hertweck vorziehen
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Beitragvon Falk » 11. Februar 2008 15:23

Das stimmt, man brauch ein Gedächtnis wie ein Elefant um sich so viel Nummern und Werte zu merken. Ich fand es nur ungewöhnlich das es bei der Beschreibung mit Klemmern etc. gerechnet und sogar fast gewollt (in anderen Kapiteln las ich das die Rennmotoren solang Vollgas gefahren werden bis sie klemmen) sind.
Bei sonstigen Beschreibungen geht es ja meist darum eine Klemmer möglichst zu vermeiden.

Wie wird es in der Beschreibung von "Hertweck" geschildert?!

Gruß
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Beitragvon Emmendieter » 11. Februar 2008 16:03

Ich war eigentlich immer der Meinung, dass man einem neuen Motor keine Fahrt auf der Autobahn antun sollte, da dort die Drehzahl zu konstant gehalten wird. Deshalb empfand ich eine kurvige Landstraße als besser, weil man dort auch zu häufigen schalten gezwungen ist.

Außerdem ist es auf heutigen Autobahnen sehr wichtig, dass man sich nicht nur mit seinem Motor auseinander setzt, sondern immer auch auf den Verkehr achtet.

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Beitragvon TS-Jens » 11. Februar 2008 17:05

Ich find die Beschreibung im "Ratgeber MZ" am besten. Kurz, einleuchtend und bei meinen 4 "Einfahrungen" bestens bewährt.
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