von ESJuenger » 30. Juli 2018 08:03
Hallo Leute,
OT-Finder braucht kein Mensch bei Oldtimern. Zur Begründung muss ich aber etwas ausholen..
Selbstverständlich ist es nötig den ZZP genau einzustellen, und zwar genau für diesen Motor mit exakt diesen Anbauteilen und Betriebsstoffen unter den vorliegenden Umgebungsbedingungen. Für ein werksneues Großserienmotorrad mit genau vorgeschriebenen Bauteilen und Betriebsstoffen wurde von den Entwicklern ein für alle Bedingungen ordentlich funktionierender ZZP festgelegt. Kriterium ist der möglichst vollständige Durchbrand des Gemisches unter Begrenzung von maximaler Brennraumtemperatur und maximalem Druck bei Vermeidung von Klopfen und das Ganze in einem möglichst breiten nutzbaren Drehzahl und Lastbereich und zu jeder Jahreszeit. Das lässt schon ein wenig Spielraum in der Einstellung zu, wenn man um die Auswirkungen der eigenen Optimierung weiß und sicher im Umgang mit dem Vergaser ist.
Nun (vielleicht schon fast 70 Jahre später) ist entweder der Motor recht verschlissen oder musste diverse Regenerierungen mit verschiedenen Nachbauteilen erdulden, hat sicher neue Ausrüstungen (Zündspulen, Kerzen, Vape, Vergaser, Auspuff, etc) bekommen und wird mit erheblich veränderten Betriebsstoffen gefahren. Außerdem werden es heute 37°C. Aus all diesen Gründen ist der mögliche Variationsbereich des nominell optimalen ZZP größer als früher. Trotzdem ist der optimale ZZP für den eigenen Motor einzustellen. Das klappt ohne Prüfstandstechnik nur durch jahrelanges vorsichtiges variieren von Vergasereinstellung, Kerze und ZZP. Wer Pech hat bekommt es mit Fressern zu tun. Die sicherste Variante ist, möglichst viele Originalteile (bes. Auspuff und Kurbelwelle - nicht unbedingt den Vergaser) zu verwenden und mit der Serieneinstellung loszulegen und dann nur in kleinsten Schritten zu stellen und zu beobachten und fühlen.
So. Darum ist es nicht so besonders wichtig den Serien-ZZP oder den OT aufs hundertstel zu erwischen. Ich stelle die Zündung folgendermaßen ein: Kontrolllampe an den Unterbrecher (Genauigkeit verschenken muss man ja auch nicht und es ist besser sichtbar), dann stecke ich einen Span vom Zollstock (mit mm-Skala natürlich) ins Kerzenloch und suche den OT (bei schrägem Loch klemme ich einen Drahtwinkel an den Span, damit der im OT noch senkrecht auf dem Kolben stehen kann). Dann drehe ich vorsichtig die KW zurück bis die Lampe angeht und lese den Verfahrfahrweg an der Skala ab. Einstellen und prüfen wie gehabt. Ich meine das so genau genug treffen zu können. Dann kommen die Fahrversuche mit der optimalen Vergasereinstellung. Dann kann man die Zündung mal 2 Zehntel früher und 2 Zehntel später stellen und fahren. Wenn man nichts positives bemerkt lieber original lassen. Dann nochmal den Vergaser optimal einstellen. Das ist alles sehr aufwändig. Alles auch nachzulesen bei Hertweck.
Wer den Freiflug bei der Zündeinstellung nicht möchte, hier die sichere Variante: An eine olle Zündkerze vorn einige cm Stahl anschweißen (am besten Elektrode und Keramik vorher entfernen), damit der Kolben blockiert werden kann. Gradscheibe auf die Kurbelwelle. Lampe an den Unterbrecher. Dann die vermurkelte Zündkerze fest einschrauben und den Kolben in einer Richtung vorsichtig gegen die Begrenzung drehen. Auf der Gradscheibe Stellung markieren. Dann einmal zurück drehen bis der Kolben wiederum an die Begrenzung stößt. Wieder Markieren. Die Mitte beider Marken ist der genaue OT. Dann mit der Lampe und der Gradscheibe den ZZP prüfen und einstellen. Wenn der Zündwinkel in der Betriebsanleitung nicht angegeben ist, kann er leicht umgerechnet werden. Tabellen und Formeln sind in Lothars Elekto-Fibel (Anhang) hier im Forum angegeben (Danke Lothar!).
Gruß
Heiner
Rundlampenschweinchenliebhaber-Clubmitglied Nr. 99
Wer weiß, dass er nichts weiß, weiß mehr als der, der nicht weiß, dass er nichts weiß.
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