Eine Frage habe ich, betreffend die Steuerkopflagerung der Telegabelmodelle TS und ETZ, konkret ob man diese verbessern kann. Im Winter werde ich den Lenkanschlag bei meiner TS(/0) schweißen lassen, anschließend den Rahmen strahlen/neu lackieren. Neue Lager sind dabei sowieso Pflicht (hatte ich beim Neuaufbau "bewusst ignoriert", da keine Raststellen vorhanden), warum also nicht mal vorher drüber nachdenken...
Wem's zu viel Text ist (Es gibt weiter unten sogar ein Bild!), der liest bitte bitte ganz einfach woanders weiter...
Der Aufbau ab Werk bzw. entsprechend der Einbauanleitung ist:
- unteres Radialrillenkugellager 6006 wird ins Rahmensteuerrohr eingetrieben (Außenring soll am Bund anliegen)
- Abstandshülse einsetzen
- oberes Radialrillenkugellager 6006 einsetzen bis der Innenring an der Hülse zum Anliegen kommt, Außenring darf dann aber nicht am Bund anliegen
- untere Gabelbrücke einfädeln (macht sich ggf. auch schon vorher zur Positionierung der Hülse gut)
- obere Gabelbrücke aufsetzen, Mutter anziehen (Anzugsmoment je nach Angabe 105-125kpm)
So, schön und gut. Die Innenringe werden also satt mit der Hülse verspannt. Ab 1991 gab es wohl eine andere Ausführung ohne Hülse, dafür mit einem Spreng- und einem Haltering. Diese Ausführung habe ich nicht. Allerdings wird in Neuber/Müller, Ausgabe 1991, Kapitel 2.3.1 das axiale Spaltmaß zwischen dem Außenring des oberen Lagers und der zugehörigen Anlageschulter des Rahmensteuerrohres "fertigungsbedingt" mit 0,5-2mm angegeben. In Abschnitt 2.3.2 ("Überprüfung und Reparatur"!) wird dann allerdings der Ausgleich eines ggf. vorhandenen Axialspiels mit Distanzscheiben der Dicke "Axialspiel minus 0,1mm" angeführt. Da das unter "Überprüfung und Reparatur" läuft, tauchen entsprechende Distanzscheiben in der ET-Liste standardmäßig nicht auf. Für mich ergibt sich das Bild: Ab Werk sind da 0,5-2mm axiale Luft vorhanden, die "eigentlich" auf 0,1mm ausgeglichen werden sollten, da sonst bei losen Lagersitzen (warum auch immer) reichlich Axialspiel vorhanden wäre, wandern können die Lagersitze so oder so. Hm. Wobei auch 0,1mm Axialspiel immernoch Axialspiel ist.
Hintergrund:
Laut "Neue Fahrwerkstechnik im Detail" von Koch/Wilbers, werden für Steuerkopflagerungen güstigstenfalls Kegelrollenlager verwendet, alternativ auch Schulterkugellager. Schulterkugellager sind wie normale Radialrillenkugellager, nur dass ein "Bord" quasi fehlt. Mit diesen Lagern (Schulterkugellager und Kegelrollenlager) kann man das Spiel der Lagerung einstellen bzw. idealerweise die Lagerung spielfrei stellen. Spiel im Steuerkopflager gilt als eine der (vielen möglichen) Ursachen für bspw. Lenkerpendeln. (Anm.: Diese knappe Zusammenfassung entstammt meiner Erinnerung an das Gelesene, ohne jegliche Gewähr.)
Die Einstellung selbst ist so eine Sache: Letztlich geht das wohl nur "mit Gefühl", eine objektiv-technische Verfahrensweise (wie bspw. Anzug einer Mutter mit nem Drehmomentschlüssel) ist mir nicht bekannt. Ich habe ein bisschen gesucht, aber auch von anderen Motorrädern keine Schnittzeichnungen o.ä. gefunden, die eine solche Lagerung abbilden. Nur ein paar Beschreibungen zur Einstellung von entsprechenden Lagerungen, wo bspw. eine Mutter zur Einstellung des Spiels in Verbindung mit einer Art Anzugsspindel/Zentralschraube erwähnt wurde. Ebenfalls wurde mir nicht die Gnade der frühen Geburt zuteil, ich hab also nicht schon in den 70ern jedes damals am Markt befindliche Motorrad beschrauben können... zu deutsch: Keine Ahnung, wie das anderswo praktisch gelöst wurde.
Kritik der MZ-Standard-Lösung:
Die Konstruktion wie ab Werk verbaut weist immer Spiel auf. Einerseits haben wir radiales Spiel zum Steuerrohrschaft der unteren Gabelbrücke, weil hier eine weite Passung gewählt wurde. Andererseits haben wir radiales und auch axiales Spiel im Lager selbst (Lagerluft), wobei das axiale Spiel hier deutlich überwiegt. Gefunden habe ich auf die Schnelle eine Angabe von 5-20µm radialer Lagerluft bei Bohrungsdurchmesser 30mm und "normaler Lagerluft" bzw. Nachsetzzeichen "CN" (oder ohne Nachsetzzeichen), so wie laut Ersatzteilliste vorgesehen. Die axiale Lagerluft wird mit dem 8,5-10fachen der radialen Lagerluft angegeben. Da die Lager ja eigentlich für radiale Lasten gedacht sind, günstigenfalls auch unter Drehzahl, sind sie "eigentlich" an der Stelle "falsch" - gehen tut's trotzdem. Das ist ja das schöne an Radialrillenkugellagern, dass sie eben nicht nur für radiale Lasten geeignet sind. Nur: Geht's vielleicht auch besser?
verfügbare Lager:
Das Radialrillenkugellager 6006 hat die Abmessungen: D=55, d=30, B=13, man bekommt sie auch mit Abdeckung/Abdichtung. Dynamische Tragzahl C_r=13,5kN, statische Tragzahl C_0R=8kN.
Schulterkugellager scheinen vergleichsweise selten zu sein... ich habe nix passendes gefunden.
Kegelrollenlager habe ich in den benötigten Abmessungen keine finden können. Es gibt zwar D=55, d=30, aber dann mit B=17... da man zwei dieser Lager braucht, würde das bedeuten, dass der Gesamtaufbau oben und unten je 4mm höher baut, macht 8mm in der Summe. Ich bezweifele, dass der Steuerrohrschaft der unteren Gabelbrücke lang genug ist, zumindestens wird es jedoch arg knapp. Ein anderes Steuerrohr in die Gabelbrücke einsetzen ist schon ein ganz schöner Aufwand, ebenso die Lagersitze im Rahmen tiefer zu setzen (bei TS/0 stellt sich die Frage, ob das überhaupt möglich ist). Ein weiteres Manko: keine Abdichtung integriert, wäre auch schlecht möglich. Solche Lager sind dann eben für andere Konstruktionen vorgesehen, wo der Konstrukteur sich um die separate Abdichtung kümmert.
neue Idee:
Schrägkugellager! Schrägkugellager sind ähnlich wie Radialrillenkugellager, haben jedoch einen Druckwinkel > 0° (wie ihn Radialrillenkugellager analog hätten) und können mehr axiale Lasten aufnehmen. Der Aufbau ist asymmetrisch, meist werden zwei Schrägkugellager zusammen in X- oder O-Anordnung verbaut und gegeneinander angestellt. Andere Varianten sind natürlich möglich, tendenziell aber komlizierter.
Konkret könnte man zwei Schrägkugellager 7006-B-2RS-TVP in O-Anordnung verbauen. Die Lager haben die gleichen Abmessungen wie die Lager 6006, zudem gibt es sie eben auch abgedichtet, der Druckwinkel beträgt 40°. Dynamische Tragzahl radial C_r=19,9kN, statische Tragzahl radial C_0r=13,4kN.
In O-Anordnung wäre der prinzipielle Aufbau also:
Untere Gabelbrücke







Die Abstandshülse zwischen den Innenringen entfiele, da man die Lager mit der Mutter oben spielfrei einstellt. Das wiederum geht natürlich nicht mit 100Nm, sondern nur mit Gefühl. Also wird noch eine Losdrehsicherung benötigt, mir fällt da bislang als einzige auch praktisch (hoffentlich) gut realisierbare Variante ein Sicherungsblech ein. Kronenmutter und Splint... ungern. Mutter mit Drahtsicherung... naja, sieht an der Stelle sicher merkwürdig und ggf. nicht gerade vertrauenserweckend aus. Zwei gekonterte Muttern... da hätte ich bedenken, ob das wirklich einstellbar ist oder man nicht permanent zwischen "Spiel" und "fest" pendelt.
Zusammengefasst:
Vorteile:
- Reduzierung des Spiels im Steuerkopflager auf ein Minimum (Steuerrohr/Lagerinnenringe unvermeidlich) bei geringem Aufwand
- gleiche Abmessungen wie Standard-Lager
- vergleichsweise gute Verfügbarkeit, da genormtes Lager
- abgedichtete Variante verfügbar (im Vergleich zu bspw. Kegelrollenlagern)
- bis auf ein Sicherungsblech keine weiteren Teile benötigt (bspw. Drehteile, Hülsen, Buchsen, ...)
- (wahrscheinlich) keine Änderungen an Rahmen oder Gabelbrücken notwendig; wenn doch, dann mit Hausmitteln zu bewältigen
Nachteile:
- Das Spiel zwischen Innenringen und Steuerrohr der unteren Gabelbrücke bleibt bestehen.
- teurer als Standard-Lösung (6006-2RS1 SKF: ca. 6,50 Euro/Stk. gegen 7006-2RS unbekanntes Fabrikat: ca. 12 Euro/Stk.)
Fragen/Unklarheiten:
- Mutter+Sicherungsblech... kann man das vernünftig einstellen?
- Mutter+Sicherungsblech... ist das dauerhaft?
- Mutter+Sicherungsblech... gibt es (möglichst einfache) Alternativen?
- Sind die Anlageschultern im Rahmensteuerkopfrohr geeignet?
Hier mal noch eine bildliche Gegenüberstellung der Standard-Lösung mit den Schrägkugellagern als Prinzipskizze:
Schlussbemerkungen:
Ich weiß, die Serienstreuung und die Gummilagerung und die grandiosen 21PS und und und... wenn man nicht IRGENDWO anfängt, braucht man gar nicht anzufangen. Ich möchte aber irgendwo anfangen und diese Stelle bietet sich eben gerade an. Bitte daher Kommentare a la "Kauf dir doch ein aktuelles Motorrad, wenn du ein besseres Fahrwerk willst." verkneifen. Auch dass es andere Fehlerquellen bzw. Schwächen des Fahrwerks gibt, die man ggf. abstellen kann, ist mir bewusst - aber bitte alles zu seiner Zeit. Schließlich ist mir auch die Thematik der Steuerkopflagerung der ES-Baureihe bekannt, im konkreten Fall aber irrelevant.
In diesem Sinne: Was denkt ihr über meine Idee? Konstruktive Kritik? Einfach mal probieren?
Ciao
Wolle
P.S.: Bei mir wird eine untere Gabelbrücke oben verbaut werden. Anlageflächen für ein Sicherungsblech sind damit kein Thema. Sollte aber auch mit der normalen oberen Brücke irgendwie (mit Hausmitteln) möglich sein...