Ich habe lange überlegt, ob ich diese Geschichte überhaupt jemandem erzählen kann, aber ich finde genau hier gehört sie hin:
Im August 2011 war der Ansaugschlauch meiner ES/2 kaputt, hatte nach 8.000km einen Riss, die Ansauggeräusche wurden hörbar lauter. Der Schlauch war vom Vorbesitzer vor 2 Jahren erneuert worden. Ich kaufte also bei einem hier im Forum bekanntem Händler mit gutem Ruf einen Ersatzschlauch für knapp 20,- EUR. Der Preis war gut, noch viel verlockender als bei meinem Standard Händler aus Berlin zu kaufen war allerdings die Tatsache, dass der Schlauch als "Absolut benzinfester Gummi" beworben wurde. Genau daran war der alte Billig-Schlauch meines Vorgängers kaputt gegangen - dachte ich.
Der Schlauch kam und ich baute ihn ein. Er war ziemlich weich und roch nach purem, qualitativ hochwertigem Gummi. Aber er passte nicht so richtig, denn er war in alle Richtungen ziemlich groß. Nicht nur ziemlich lang, sondern auch der Durchmesser war nur mit dem zusätzlichen Kunststoffaufsatz meines Bing-Vergasers halbwegs dicht zu bekommen. Zusätzlich musste ich im Baumarkt noch eine größere Schlauchschelle kaufen, weil die alte zu klein war. Den Schlauch dichtete ich, wie den alten auch schon - mit Sikaflex zum Luftfilter hin 100%ig ab. Die Probefahrt war noch laut, ich musste die Schlauchschelle noch 2x nachziehen. Danach lief alles wie vorher...
Oben der neue, viel zu große und weiche Ansaugschlauch, unten ein uraltes, halb poröses - aber passendes Teil, wahrscheinlich noch aus DDR -Zeiten.
...Bis vor zwei Wochen, als es nochmal richtig warm wurde. Den Ansaugschlauch hatte ich längs vergessen, als die ES auf einer 100 km Tour plötzlich nur noch Halbgas annahm. Irgenwann nur noch Viertelgas. Bei schönstem Herbstwetter um die 18 Grad konnte ich nur noch höchstens 80 km/h fahren. Ich hielt ich an und fand einen brüllendheißen Motor vor, an dem man sich fast schon am Zündungdeckel die Finger verbrennen konnte. Nach dem Abkühlen tauschte ich die Kerze, die schwarz war, aber einen ganz dünnen, komisch-weißen Belag hatte. Ich checkte die Zündung, alle Verbindungkabel, überprüfte den Vergaser und fuhr vorsichtig weiter. Alles ging gut - bis Halbgas konnte man wieder fahren. Trotzdem fehlten 10 PS.
Am nächsten Tag zuhause überprüfte und reinigte ich den Vergaser, testete alle Düsen auf festen Sitz. Tauschte nochmal die Kerze, überprüfte die Zündung - nichts zu entdecken. Nach 3 Stunden Schrauberei eine Probefahrt mit gleichem Ergebnis. Ein Klemmer? Ein kleines Loch im Kolben? Ein gebrochener Kolbenring? Ein festgegangenenes Lager? Nein, ich bemerkte ganz zum Schluß erst den leichten Knick im "neuen" Super-Gummi-Ansaugschlauch und versuchte ihn wieder rauszudrücken. Aber der Knick ging wie ein Vakuum wieder nach Innen.
Eine unglaubliche Theorie braute sich in meinem Kopf zusammen: Ich schraubte den Ansaugschlauch samt Schelle ganz ab und fuhr nochmal eine Runde. Die Emme war ohne Luftfilter höllisch laut, lief aber bergab ganz locker 125km/h ohne Mucken. Das wars es. Der Ansaugschlauch zog sich durch den Unterdruck des Motors bei lächerlichen 18 Grad Celsius selbst zusammen. Unglaublich! Ich war erleichtert aber auch gleichzeitig entsetzt von diesem unglaublich beschissen gefertigtem Ersatzteil: Da wird nichts nachgemessen, was sind schon ein paar Milimeter? Die Materialkonsistenz ist auch egal und testen tun wir am Moped schomal gar nix.
Der Gummischlauch war nur mit einer massiven Schaluchschelle und dem zusätzlichen Kunststoffadapter des Bing mit viel Liebe dicht zu bekommen. Für die Probefahrt habe ich ihn einfach abgelassen.
Im Keller hatte ich noch einen antiquierten, hart gewordenen, mindestens 20 Jahre alten Schlauch mit DDR Stempel von einer uralten ES, den ich erstmal vorsichtig einbaute. Der Schlauch passte 100%ig, hatte aber schon Risse. Danach bestellte ich einen neuen Ansaugschlauch beim Standard-Händler meines Vertrauens in Berlin für knapp 30,- EUR. Ich vergleichte beide Ansaugschläuche: Der neue ist ebenfalls aus Gummi, härter und passt ziemlich genau ohne Tricks. Die Geschichte hätte hier zu Ende sein können und wir um eine Erfahrung reicher.
Aber nein.
Zwei Wochen später:
Am Wochenende blieb ich mit meiner MZ und dem getauschten Ansaugschlauch - Einbau bereits wieder vergessen - mitten auf der Autobahn bei fast Vollgas stehen. Der Motor klingelte zum Schluß ganz kurz fürchterlich, da war es schon zu spät.
Nichts ging mehr. Ich wollte den ADAC rufen.
Loch im Kolben, Simmerringe pulverisiert, Lager fest, jedenfalls kapitaler Motorschaden oder sowas. Der Nachmittag war gelaufen.
Ich probierte den Kickstarter:
Der Motor war nicht fest, aber sehr warm.
Die Autos rauschten mit 130 an mir vorbei.
Ich versuchte zu überlegen.
Schrauben ging hier nicht. Zu gefährlich.
ADAC rufen und hinter der Leitplanke warten.
Mhhhhhhhhh... scheiße.
210 km zeigte der Tageskilometerzähler an.
Zweihundertzehn Kilometer.
Normalerweise schaffe ich mit einer Tankfüllung immer 300 km und mehr...
Ein warmer Schock durchfuhr mich - könnte es sein, dass einfach das Benzin alle war?
Da war doch die Sache mit dem Ansaugschlauch über zig Kilometer vor zwei Wochen?
Es wäre zu schön...
Ich schaltete auf Reserve und kickte. Der Motor kam nach 3 Tritten. Unglaublich.
Keine Probleme, kein Motorschaden, kein Abschleppdienst, kein versauter Sonntag - nichts von allem.
Ich war total froh, getröstet und so positiv überrascht - ich konnte es selbst kaum glauben, fuhr ganz vorsichtig zur nächsten Tanke und danach sorgenfrei nach Hause. Alles gut aber total eingeschüchtert!
Auf ein solch emotionales Gewitter war ich einfach nicht eingestellt. Ein Gefühlstaumel über zwei Wochenenden, wegen eines hundsmiserabel gefertigten Anschaugschlauchs und den Folgen. Wenn die Leute, die solche Ersatzteile samt Folgeerscheinungen verkaufen auch nur ahnen könnten, was sie bei treuen MZ-Fans damit anrichten... Ich kann es jedenfalls bis jetzt noch nicht fassen.