Ich finde das in mehrfacher Hinsicht faszinierend:
1. Ich hätte Stein und Bein geschworen, dass HD der letzte Hersteller ist, der sich auf sowas einlässt. Dass gerade die als erster großer Hersteller (lassen wir mal den Roller von BMW außen vor) vorpreschen, zeigt, wie aktuell das Thema bereits ist und wie sehr sich HD bemüht, sein eher konservatives Image aufzupolieren.
2. Wichtigster Bestandteil einer Harley ist sicher nicht nur für mich ein laut bollernder und vibrierender V2-Motor. Wie reagieren HD-Kunden wohl, wenn man ihnen ein Motorrad hinstellt, das nur leise surrend seine Bahnen zieht? Soll man dem Motorrad ein Soundsystem verpassen, dass die gewohnte Geräuschkulisse simuliert? Wäre ziemlich affig. HD geht einen ganz anderen Weg und will eine Geräuschkulisse wie bei "einem Düsenjet auf einem Flugzeugträger" erzeugen. Sehr patriotisch, sehr amerikanisch. Das könnte klappen.

3. Design: Bisher gibt es bei E-Autos und E-Motorrädern zwei Optionen: Entweder ein bestehendes Fahrzeug mit einem E-Motor ausstatten. Was ziemlich doof ist, weil E-Motoren ganz andere Möglichkeiten bieten, die in diesem Fall ungenutzt bleiben. Oder das Rad komplett neu erfinden und ein Auto/Motorrad erfinden, dass sich von bisherigem bewusst abgrenzt. Ein hypermodernes Ufo, das vielleicht gut durchdacht ist, aber von allem Bekannten so weit weg ist, dass es einfach keiner haben will. (Wie dieses insektenartige E-Bike aus Österreich) HD hat für meinen Geschmack einen guten Kompromiss gefunden: Ein komplett neu konstruiertes Motorrad mit eigenem Design, das trotzdem klassisch daherkommt und auch als Harley zu erkennen ist.
4. Reichweite? E-Motoren sind aufgrund der Motorcharakteristik eigentlich perfekt für Motorräder, wenn da nicht das Problem mit den Akkus und der geringen Reichweite wäre. Die Lösung wären kleine Geländemotorräder oder leichte Funbikes für die Stadt, wo eine große Reichweite nicht wichtig ist. Stattdessen setzen alle Hersteller auf Cruiser, die per Definition eine hohe Reichweite haben (sollten). Das Problem sehe ich bei Harley auch. Was bringt das Teil, wenn es nach maximal 100 Meilen für mehrere Stunden an die Steckdose muss? Ein kleiner Benzinmotor als Range-Extender wird kaum reinpassen. Das könnte das Hauptproblem für das Motorrad sein. Aber vielleicht auch nicht. Motorradfahrer sind heute auch nicht mehr das, was sie mal waren. Und ein großer Teil der Harleykunden nutzt das Ding wahrscheinlich nur dazu, um zur Eisdiele zu cruisen oder es auf einem Harleytreffen vom Trailer zu fahren. Dafür reicht der Akku locker.

Ich finde es spannend. Mal sehen, wohin sich das Motorrad in den nächsten Jahren noch so entwickelt.