Wenn das Lager sehr "gerumpelt" hat im Betrieb, dann kann auch die Lauffläche hin sein. Ich überhole aktuell einen 1966er MM 150 einer MZ ES 150. Der hat erst originale 7500 km weg und war noch nie offen. Da die Lager alle Kunststoffkäfige haben, konnte ich die Lager nach der Montage einfach zerlegen um Laufflächen und Kugeln mal genauer zu untersuchen. Die Laufflächen aller Lager sind ganz fein "vernarbt" was deutlich auf Korrosion schließen lässt. Ebenso die Wälzkörper (Kugeln). Die Maschine stand schon zu DDR-Zeiten über viele Jahre in einem Neubaublock im Keller. Interessant ist dabei auch, dass die Korrosionsnarben nur an den Punkten der Laufflächen zu finden sind, wo sich augenscheinlich, während der Langen Standzeit, die Berührungspunkte mit den Wälzkörpern befunden haben. Ich vermute sehr, dass daran das DDR-Getriebeöl schuld ist. Denn wenn dieses altert, dann bilden sich dabei durchaus saure Abbauprodukte die dann zu Korrosion führen können.
Wenn Du nun schon so weit bist, dann würde ich Dir auf jeden Fall empfehlen, die Lager komplett zu ersetzen...
Zum Einbau des Zylinderrollenlagers und des Lagers 6004 am Schaftrad:
Wenn Getriebe und Kurbelwelle in die linke Gehäusehälfte vollständig eingebaut sind, wird das Lager 6004 (wenn Kunststoffkäfig -> offene Käfigseite in Richtung Getriebe zeigend) auf das Schaftrad gesteckt. Ebenso wird das Zylinderrollenlager auf den rechten Stumpf der Kurbelwelle aufgesteckt. Dabei unbedingt darauf achten, dass die Borde des Innenrings in Richtung Hubscheibe zeigend montiert wird!
Ich gehe davon aus, dass Du weißt wie man Lager auf Wellen montiert. Achte dabei darauf, dass die Wellen vor dem Aufstecken der Lager leicht eingeölt sind -> Stichwort: Passungsrost (https://de.wikipedia.org/wiki/Passungsrost). Ich verwende immer eine spezielle Montagepaste mit MoS2-Anteil.
Im nächsten Schritt erwärmst Du die rechte Gehäusehälfte auf ca. 120 °C und montierst diese zunächst OHNE Dichtmittel auf der Mitteldichtfläche und OHNE Fügeklebstoff auf den Lageraußenringen. Nach dem Aufsetzen der erwärmten rechten Gehäusehälfte, zunächst die beiden LEICHT GEFETTETEN Passhülsen (vorn und hinten) einschlagen und dann alle 14 Gehäuseschrauben eindrehen und mit rund 13 Nm anziehen. Dann alles abkühlen lassen. Freischlagen brauchst du die evtl. leicht verspannten Wellen bei dieser Montagemethode übrigens nicht.
Anschließend bestimmst du den Abstand zwischen Stirnfläche des Lageraußenrings des Lagers 6004 und Gehäusedichtfläche für die Abdeckblech-Dichtung MÖGLICHST GENAU (z.B. mit dem Tiefenmaß eines Messschiebers). Am besten mehrmals an verschiedenen Stellen messen und Mittelwert bilden. Anhand des ermittelten Maßes errechnest Du unter Berücksichtigung der Dichtungsdicke den Abstand zwischen Stirnfläche Lageraußenring und Abdeckblech. WICHTIG: Dieser muss 0,2 mm bis maximal 0,3 mm betragen! Eventuell benötigst Du dann noch Distanzscheiben entsprechender Dicke, um das Maß genau einstellen zu können.
An der Dichtkappe der Kurbelwelle im Lichtmaschinenraum analog vorgehen und den Abstand ebenfalls auf 0,2 mm bis maximal 0,3 mm einstellen.
Als nächstes kannst Du die Wellendichtringe in Abdeckblech und Dichtkappe eindrücken und Abdeckblech sowie Dichtkappe mit jeweils neuer Dichtung und Dichtmittel montieren und verschrauben.
Ich empfehle dabei immer Wellendichtringe aus FKM (VITON®) von NJK zu verwenden. Außerdem solltest Du möglichst keine reinen Papierdichtungen verbauen, da diese niemals richtig dicht werden. Ich nehme immer die roten Dichtungen aus AF 200 von KAUTASIT (Link: https://www.kautasit.de/pages/de/produk ... latten.php). Diese gibt es u.a. beim Moped-Klaus (Link: https://www.moped-klaus.de/kautasit-dic ... 8233472363). Als zusätzliches Dichtmittel verwende ich REINZOSIL von VICTOR REINZ. Dieses aber wirklich nur hauchdünn auftragen, damit möglichst wenig an den Seiten herausquillt, wenn Abdeckblech bzw. Dichtkappe verschraubt werden. Insbesondere ist das am Abdeckblech sehr wichtig, damit das Dichtmittel nicht den Kanal für die Schmierung des Gleitlagers (Bronzebuchse) der rechten Vorgelegewellenlagerung zusetzt. Hier also aufpassen. Für die Abdichtung der Schrauben kannst du gut mittelfeste Schraubensicherung (z.B. LOCTITE 243) verwenden.
Wenn dies erledigt ist, dann kannst Du die beiden Passhülsen wieder ausschlagen, die 14 Gehäuseschrauben lösen und herausdrehen und die rechte Gehäusehälfte abnehmen. Dies geht nun ganz einfach da der Innenring des Zylinderrollenlagers auf dem rechten Kurbelwellenstumpf verbleibt. Dichtblech und Dichtkappe bleiben aber wo sie sind und werden nicht wieder demontiert!
Nun die rechte Gehäusehälfte auf ca. 110 °C erwärmen. Keine Angst, die Wellendichtringe aus FKM und die Dichtungen halten diese Temperatur locker aus ohne Schaden zu nehmen. Wenn Du Lager von SKF verwendest, sollte die Gehäusehälfte jedoch nicht über 120 °C warm werden (Maßstabilisierung und Kunststoffkäfige). Wenn das Gehäuse vollständig durchgewärmt ist, kannst Du das Schaftrad mit dem darauf montierten Lager 6004 und das Zylinderrollenlager ohne Innenring leicht aus der rechten Gehäusehälfte entnehmen. Eventuell ein sauberes, fusselfreies Tuch auf eine Holzplatte legen und die Gehäusehälfte mal kurz leicht darauf "aufprellen". Dabei fallen mit Sicherheit auch die evtl. vorhandenen Distanzscheiben mit heraus. Diese gut bei Seite legen.
Wenn die Teile nicht mehr so heiß sind, dann werden die Flächen der Lageraußenringe vom Zylinderrollenlager und vom Lager 6004 penibel entfettet (z.B. mit rückstandsfreien Bremsenreiniger oder Silikonentferner). Das Gleiche geschieht mit den entsprechenden Gehäuselagersitzen in der rechten Gehäusehälfte.
Danach wird die rechte Gehäusehälfte wieder auf 110°C erwärmt. Kurz bevor die Zieltemperatur erreicht ist, werden die Außenringe vom Lager 6004 und vom Zylinderrollenlager HAUCHDÜNN aber vollflächig mit LOCTITE 641 Fügeklebstoff bestrichen. Nicht mit dem Fügeklebstoff "herummatschen" und auch darauf achten, dass davon nichts in die Lager kommt. Dann die evtl. vorhandenen und zuvor bestimmten Distanzscheiben in die Lagerbohrungen einlegen und das Zylinderrollenlager sowie das Lager 6004, welches sich ja noch auf dem Schaftrad befindet, in ihre erwärmten Gehäuselagersitze einführen. Das geht mit viel Gefühl ganz leicht und verkantungsfrei. Die Lager sollten dann kurz, bis der Fügeklebstoff leicht "angezogen" ist (geht bei der Temperatur recht schnell); mit etwas Druck an Abdeckblech / Dichtkappe bzw. an die eingelegten Distanzscheiben gedrückt werden. Dazu eignet sich ein entprechender Schlagdorn sehr gut. Werden behelfsmäßig Stecknüsse dazu verwendet, dann müssen diese innen penlichst sauber sein. Dreck in den neuen Lagern macht sich nämlich nicht besonders gut.
Dann kann alles abkühlen.
Ist dies geschehen werden die Mitteldichtflächen der linken und rechten Gehäusehälften mit den bereits weiter oben genannten Mittelchen penibel entfettet. Ebenso penibel wird der obere Bereich des Schaftes der Schaltarretierachse und die entsprechende Lagerbohrung in der rechten Gehäusehälfte entfettet. Dann wird das Dichtmittel deiner Wahl (ich verwende auch hier REINZOSIL) auf die Mitteldichtfläche der linken Gehäusehälfte, auf den oberen Bereich des Schaftes der Schaltarretierachse und in der Lagerbohrung der Schaltarretierachse in der rechten Gehäusehälfte dünn aufgetragen und die erkaltete rechte Gehäusehälfte mit den darin montierten Lagern + Schaftrad aufgesetzt. Dann werden die beiden LEICHT GEFETTETEN Passhülsen eingeschlagen und die 14 Gehäuseschrauben eingedreht und mit ca. 13 Nm festgezogen.
ACHTUNG: Die Gehäuseschraube direkt links oberhalb des Schaftradlagers muss mit einem NEUEN Aludichtring unter dem Schraubenkopf eingedreht werden. Nicht vergessen, sonst wird es an dieser Stelle nicht dicht.
Durch diese etwas aufwendigere und von der "Norm" abweichende Montagemethode hast du nun die Gewähr, dass
1.) Deine Lager sauber und dauerhaft in die Gehäuselagersitze eingeklebt sind
und
2.) die Borde des Innenrings des Zylinderrollenlagers zu den Wälzkörpern bzw. Die Stirnfläche des Nutprofils auf der Kupplungswelle zum Schaftrad den erforderlichen Abstand von 0,2 bis max. 0,3 mm aufweisen.
Alle weiteren Montageschritte erfolgen dann wieder "nach Norm" (siehe Reparaturhandbuch).
Wenn du die Lager irgendwann wieder demontieren willst, dann geht das im Bezug auf die Lager leider nicht zerstörungsfrei. Nach der Demontage aller Wellen uns sonstiger gehärteter Bauteile müssen die Gehäusehälften auf 150 °C bis 160 °C erwärmt werden. Bei dieser Temperatur wird der Fügeklebstoff "teigig" und die Lager können ganz einfach aus ihren Sitzen gedrückt werden. Das die Lager bei dieser Temperatur den Ar... hoch machen und danach in die Tonne wandern, versteht sich von selbst

Das ist vielleicht der einzige erwähnenswerte Nachteil bei dieser Geschichte. Mir persönlich sind die Gehäuselagersitze das aber allemal wert.
Wenn man bei der Generalüberholung jedoch sauber und mit Köpfchen arbeitet und bei den Ersatzteilen nicht geizt (d.h. wirklich alles wird austauscht, was hinüber oder fast hinüber ist), dann hält so ein Motor wirklich sehr sehr seeeeehr lange. 😅 Die Lager werden, wenn er dann irgendwann mal wieder geöffnet werden muss, so wie so ersetzt.
Grüße
Martin
-- Hinzugefügt: 13. Juni 2024 11:32 --MZETSFahrer hat geschrieben:Danke für den Tipp! Ich wusste nicht das man das Lager einzeln montieren kann, das klingt sehr plausibel. Dann klebe ich quasi zunächst den Außenring ins kalte Gehäuse, setze dann das Gehäuse drauf und verschraube es. Danach dann der Lagerinnenring auf die Kurbelwelle und zum Schluss die Rollen rein?
Schaue mal hier:
https://www.skf.com/de/products/rolling ... 0304%20ECPDa siehst Du anhand der Darstellung sehr genau, wie ein Zylinderrollenlager der Bauform NJ aufgebaut ist. Die Wälzkörper (Rollen) mit dem Käfig lassen sich nicht ohne Weiteres aus dem Außenring entnehmen. Sehr wohl lässt sich hingegen, aufgrund der nur einseitig vorhandenen Borde, der Innenring aus dem Lager demontieren.
Grüße
Martin
- MZ ETZ 150 Bj. 1990, 9 kW, silber, Trommelbremse, E-Zündung (fahrbereit)
- MZ ETZ 150 Bj. 1989, 10,5 kW, flammrot, Scheibenbremse, Getrennt-