von Wolf-Ingo » 20. November 2010 16:15
Unsere Fahrt führte uns bald wieder in südlichere Gefielde. In St. Peter Ording waren wir für mehrere Tage die einzigen Gäste der örtlichen Jugendherberge. Dort konnten nicht nur unsere Klamotten gründlich trocknen, sondern die beiden frisch Vermählten endlich ein Stück Eheleben nachholen. Jede Nacht schlich sich Thomas heimlich in das Zimmer seiner Frau, um dann frühmorgens müde aber glücklich auf Zehenspitzen wieder in unsere Männergruft zurückzukehren. Streng waren die Sitten damals, so glaubten wir jedenfalls. Umso verblüffter waren wir später bei der Abreise. Es stellte sich dabei nämlich heraus, dass die Herbergsmutter Chris und Thomas nur deshalb getrennt untergebracht hatte, weil sie die beiden für Geschwister hielt. Hätte sie die wahren Umstände gekannt, so die gute Frau, dann wären die beiden Jungvermählten natürlich in ein gemeinsames Zimmer gekommen. Wir müssen nach diesem Kommentar ziemlich dämlich aus der Wäsche geschaut haben!
Unsere geparkten Boliden vor Jugendherberge in Östersund.
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Die 5.000 km lange Skandinavienreise hatte mich unheilbar mit dem Motorradbazillus infiziert. Umso schlimmer war, was danach geschah: Meine Unerfahrenheit brachte mich um meine geliebte DKW. Der Anlass war ziemlich banal und bestand in einem ungelösten Elektrikproblem. Die Ladekontrolleuchte glomm bei eingeschaltetem Scheinwerfer und war nicht mehr zum Verlöschen zu bringen. Erfahrung hatte ich keine und Geld für die Werkstatt erst recht nicht. Also vertraute ich mich einem Ingenieur namens Hubertus Müller an, der eigenen Angaben zufolge bereits maßgeblich bei der Entwicklung der V 1 mitgewirkt hatte. Diese Referenz überzeugte mich. Nicht bekannt war mir dagegen der Umstand, dass Hubertus Müller Sperrmüll in derart großen Mengen sammelte, dass er für dessen Unterbringung mehrere große Hallen anmieten musste. Da er die Miete regelmäßig schuldig blieb, kam, was kommen musste: Die Halle, in der meine DKW zur Überholung stand, war eines Tages ausgeräumt und abgerissen worden. Weder mein Motorrad noch Hubertus Müller habe ich jemals wieder gesehen. Auf letzteres konnte ich getrost verzichten.
Ein paar Fotos, das war alles, was mir von der DKW blieb.
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Spätsommer 1971 - eigentlich eine tolle Zeit: Motorradfahren war wieder in, und die jungen Frauen trugen Miniröcke. Leider hatte ich von beidem herzlich wenig: Meine 200er DKW war in der Lagerhalle eines Messies auf ewig verschollen, und Marlene hatte mich vor über einem Jahr sitzen lassen. Kärglichen Lustgewinn bereitete mir allenfalls das Treppensteigen im örtlichen Abendgymnasium, wo ich besseren Zeiten entgegenbüffelte. Kletterte dort nämlich eine Damengruppe die Stufen hoch, konnten Hinterhergehende intensive Betrachtungen darüber anstellen, wer die schönsten und längsten Beine hatte.
Die Siegerin in dieser Disziplin hieß Sigrid. Sie ging in meine Parallelklasse und schien bereits vergeben, was viele ihrer Mitschüler lebhaft bedauerten. Meine Chance kam im Herbst, als das Gymnasium eine Altgriechisch-AG anbot. Unter den Teilnehmern waren zufälligerweise auch Sigrid und ich. Eines Abends war der Platz neben ihr ausnahmsweise frei, und ich setzte mich ganz harmlos neben sie. Zuerst tauschten wir Blicke, dann Worte – und einige Wochen später standen wir in den Pausen öfter beieinander. Rasch war ich über beide Ohren verliebt. Den verehrten Mitschülern blieb mein Zustand nicht lange verborgen. Allesamt selbst nicht zum Zuge gekommen, rieten sie mir scheinheilig zur Aufgabe des hoffnungslos erscheinenden Unterfangens.
Feten liefen damals ständig und überall. Rechts der Thomas, links Sigrid.
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Sigrid und ich begegneten uns regelmäßig in diversen Unterrichtsstunden und geselligen Runden danach. An einem trüben Novemberabend 1971 hatte sie die halbe Klasse in ihre Wohnung eingeladen. Fast alle verließen sie im Laufe der Nacht wieder; ich jedoch blieb bis in den frühen Morgen hinein. Angeregt klönten wir über Gott und die Welt. Als sie mir um sieben Uhr noch einen Kaffee machen wollte, hob der Verschlussdeckel ihrer altersschwachen Kaffeemühle ab und verstreute die Bohnen über die gesamte Küche. Sigrid gestand mir später, am Morgen dieser „Kaffeeexplosion“ sei es auch um sie geschehen gewesen.
Sigrid und ich zogen bald darauf zusammen und verlebten intensive Flittermonate. Mein beharrliches, aber unaufdringliches Werben hatte sich ausgezahlt. Wir machten das Abitur und heirateten am 11. Mai 1973 in aller Stille. Ein halbes Jahr später mieteten wir in Tübingen ein uraltes Bauernhäuschen und nahmen unser Studium an der örtlichen Universität auf.
Hat bis jetzt 38 Jahre gehalten.
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Einen unerfüllten Wunsch in meinem Leben gab es noch: ein eigenes Motorrad. Seiner Erfüllung standen leider die tristen ökonomischen Fakten entgegen. Unser Haushaltseinkommen war derart erbärmlich, dass wir anfangs regelmäßig in den Wald gehen und Pilze sammeln mussten, um ernährungstechnisch einigermaßen über die Runden zu kommen. An die Anschaffung eines teuren Zweirads war unter diesen Umständen nicht zu denken. Erst allmählich besserte sich unsere Finanzlage, so dass wir etwas Geld zurücklegen konnten, um für 1976 den Kauf einer 250er Viertakt-Honda ins Auge zu fassen. Stolze 3.800 Mark sollte sie kosten.
Es kam dann ganz anders: Anfang Juli 1975 hatten wir immerhin 2.500 Mark auf dem Konto und den neuesten Neckermann-Katalog vor Augen. Auf seinen hinteren Seiten lockte die Versuchung in Gestalt einer MZ TS 250. Einzig erhältliche Farbe: gelb. Das Design war eigentlich nicht mein Fall. Der an einen Badezimmerboiler erinnernde Tank, das kleine, nur 16 Zoll messende, Vorderrad und die langen, dünnen Gabelstandrohre machten aus der Zschopauer Zonenfeile wirklich keine Schönheit. Aber der geforderte Verkaufspreis von 2.490 Mark war unschlagbar.
Ich kaufte die Zeitschrift „Das Motorrad“ und erfuhr dort, dass die Viergang-TS als Deux-cheveaux unter den Motorrädern zu gelten habe: nicht schnell, aber praktisch und zuverlässig. Der warme und herrliche Sommer gab den Ausschlag: Am 7. Juli 1975 unterzeichnete ich den Kaufvertrag für eine neue MZ TS 250. Wenige Tag später holte ich sie bei der zuständigen Auslieferungswerkstatt in Reutlingen ab. Es handelte sich um eine Agip-Tankstelle, die von einem Kfz-Meister namens Karl-Heinz Gandt betrieben wurde. Neckermann schien der MZ-Qualität übrigens nicht ganz zu trauen. Das Serviceheft schrieb auf den folgenden 5.000 km nicht weniger als sechs Inspektionen vor, wollte man seinen Garantieanspruch behalten. Ich machte gute Miene zum bösen Spiel und ließ alle ausführen. Nicht nur deshalb konnte ich die Telefonnummer der Reutlinger Werkstatt bald auswendig aufsagen.
(Wird irgendwann fortgesetzt, wenn ich nicht zu viele Proteste kriege.)
Endlich wieder ein gescheites Motorrad im Haus
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Fuhrpark: x