von Munin » 6. Dezember 2019 16:02
Das ist alles ganz schlichte Physik!
Dazu stellt man sich das Gespann mal von hinten vor.
Der Schwerpunkt eines Gespannes liegt immer irgendwo zwischen den beinen Spuren des Gespanns.
Durch die große Masse der Maschine und zusätzlich der des Fahrers liegt dieser Schwerpunkt aber immer deutlich näher auf Seite des Motorrades.
Durch Gepäck und eine Person im SW wandert dieser mehr in die Mitte und auch etwas tiefer. Deshalb soll der 2. Mann auch immer in den Seitenwagen! beim Lastengespann geht das natürlich nicht.
Sitzt noch eine Person auf dem Sozius dann wandert der Schwerpunkt auf jeden Fall weiter zur Spur des Motorrads und was noch viel schlimmer ist, er wandert auch weiter nach oben.
Die Höhe des Schwerpunkts liegt dabei etwa kurz unterhalb des Fahrersattels und variiert auch ja nach Beladung des Gespanns.
So lange es geradeaus geht, ist das alles kein Problem. Die Resultierende Massenkraft wird über beide Räder senkrecht in die Fahrbahn eingeleitet.
Fährt man aber in eine Kurve, so treten zur Massenkraft auch noch Fliehkräfte auf. Beim Solomotorrad werden diese, durch die Schräglage in einer Kurve immer über den resultierende Kraftvektor aus Motorrad und Fahrer direkt über die Spur der Maschine in die Straße geleitet. Beim Gespann ist das aber nicht möglich..
So wandert bei einem Gespann der Massenschwerpunkt z.B. in einer Rechtskurve, bedingt durch das große Gewicht vom Motorrad und Fahrer (mit Sozius hinten drauf wird´s noch schlimmer), ganz schnell über die äußere Spur des Motorrads hinaus. Die Folge ist, ein seitliches Kippen der Maschine über seine Spur (der Seitenwagen kommt hoch).
Stellen wir uns nun das Gespann von der linken Seite vor, so liegt der Schwerpunkt deutlich vor dem Seitenwagenrad, etwa auf Höhe des Fahrers.
In einer Linkskurve wandert der Massenschwerpunkt zwar nicht über die Seitenwagenspur hinaus.
Jedoch ist die Kippachse der linken Gespannseite ist nicht die Spur des SW, sondern die gedachte Sehne von Vorderrad des Motorrads zum Seitenwagenrad. Das kann man sich von oben wie ein Dreieck vorstellen, wobei die 3 Ecken die Räder
des Gespanns sind.
Ist der Seitenwagen nun noch beladen, so liegt der Schwerpunkt weiter an der Spur des Seitenwagens und damit auch relativ nah an der Sehne vom Vorderrad zum Seitenwagenrad.
In einer zu schnell gefahrenen Linkskurve bedeutet dass dann, das der Massenschwerpunkt über die Sehne wandert. (das Gespann Kippt also schräg noch vorne weg)
Wie vermeide ich nun das Eine, oder das Andere?
1. Den Schwerpunkt des Gespanns in Kurven immer entgegengesetzt zu den auftretenden Fliehkräften verlagern (das geht nur durch Gewichtsverlagerung der Personen)
2. Den Schwerpunkt des Gespanns so tief wie möglich halten (das geht nur, wenn sich der Fahrer, bzw. Sozius möglichst klein machen)
3. Fliehkräfte so gering wie möglich halten (geht durch niedrige Geschwindigkeiten und, sofern der Platz dazu da ist, durch große Kurvenraden)
Alle Maßnahmen dienen also letztlich nur dazu, den resultierenden Kraftvektor aus Massenkraft und Fliehkraft, der immer im Schwerpunkt des Gespanns ansetzt, möglichst kurz und damit immer innerhalb der Kippachsen zu halten.
Grüße
Georg
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