Am 13. April 1940 wurde unser Vater Jörg alias Mecki und Ehemann unserer Mutter Angelika, geboren. Er war ein Kind der Schwabstraße des Stuttgarter Westens und des Dorfes Göttelfingen im Nordschwarzwald. Er, seine Schwester Inge und sein Bruder Wolfgang erlebten eine harte Jugendzeit. Der Krieg tobte und der Hunger trieb sie auf die Äcker Weilimdorfs, um die Überbleibsel der Kartoffelernte aufzulesen. Denn in Weilimdorf, Hinter der Hardt, bauten seine Eltern ein Haus auf dem Grundstück, das sie bereits Ende der Zwanziger Jahre erwarben. Es entstand aus den Trümmern der zerstörten Häuser im Stuttgarter Westen. Unser Opa, der bei der Stuttgarter Straßenbahn angestellt war, hängte nach Feierabend den Anhänger an seine Tram und fuhr die geputzten Ziegelsteine Richtung Weilimdorf. Von dort aus ging es mit dem Ochsengespann weiter. In mühevoller Gemeinschaftsarbeit entstand von 1945 bis 46 ihr trautes Heim. Eine wahre Meisterleistung. Mecki verbrachte dort seine Jugend und bald trat er den Pfadfindern bei, jenen nach Baden-Powell. Bei ihnen engagierte er sich sehr und auf den verschiedenen Treffen und Lagern, wo sie die Kohten inmitten Mutter Natur aufstellten, erlebte er mit seinen Freunden früher Stunde so manches Abenteuer. Und stets hatte er die Gitarre an seiner Seite um die Stimmung am Lagerfeuer zu heben.
1958 konnte er endlich seiner großen Leidenschaft, der er lange schon bei Besuchen der Solituderennen nachfieberte, nachgehen: Dem Motorrad! Er selbst fuhr bei so manchem Rennen mit. Die Kreidler Amazone ward fix zur Seite gestellt und die Puch 175 SVS gesattelt. Zweivergaser und hochgezogene Burgesstöpfe machten Musik. Viele Reisen in die Ferne unternahm er, und auch im Alltag war er stets auf zwei Rädern unterwegs. Bei Schnee und Eis steuerte er unter anderem Elefantentreffen an. Es folgten nach und nach während der 60er, 70er und 80er Jahre Puch SGS 250, Horex Regina und Imperator, Grüner Elefant 601, Hondas Black Bomber CB 450 und AJS 18, mit denen er viele Kilometer unter die Räder nahm.
1970 wurde sein erster Sohn Dirk geboren, den es Jahre später in die Weiten der unbegrenzten Möglichkeiten verschlug.
1975 lernte Mecki seine große Liebe Angelika im Krummbachtal kennen. Sie kam aus einem Land, das auferstanden aus Ruinen. Zusammen mit ihrem Sohn Georg, damals drei Jahre alt, gelang ihr 1972 eine dramatische Flucht im Kofferraum eines Automobils.
Trotz ihres ersten Dates sagte sie „Ja“ – denn Mecki war galant und fuhr mit seinem Lloyd Alexander vor. Nur eben ohne Beifahrersitz, weshalb sie auf der Rücksitzbank Platz nehmen musste. So chauffierte er sie auf direktem Wege auf die Pfade ihres gemeinsamen Lebens.
1977 erblickte ich das Licht der Welt, dicht gefolgt von Schwesterlein Mirjam 1978. Unser Nesthäkchen Nicole kam 1981 nach. Eine große Rasselbande fand sich so zusammen und zu Beginn waren die Spaziergänge mit den Kinderwagen von ungestümen Rottweilerwelpen flankiert, einer großen Leidenschaft unseres Opas, die Angelika und Mecki noch etwas weiterführten.
Viele Jahre lang spannte die berufliche Arbeit Mecki sehr ein, manchmal ging er dieser gar sechs oder sieben Tage in der Woche nach, alles für das Wohl der Familie.
Mitte der 80er Jahre unternahmen Mecki und Georg, dieser im Seitenwagen der MZ TS 250/1, eine Reise an den Gardasee. Die Rückfahrt gestaltete sich mühsamer, die MZ zog schlecht vom Fleck weg. Georg kam nämlich zuvor die Idee, heimlich ein Flussbett seiner Steine zu berauben und als Urlaubsandenken im Beiwagen zu verstauen. Etwas Ballast musste unterwegs aber doch gelassen werden. Auch später war die ganze Familie hin und wieder auf Motorradtreffen dabei, ich erinnere mich gerne an Dijon, Heimbach und Ludenhausen. In den 90er Jahren waren Mecki und ich oft gemeinsam auf verschiedenen Suzuki-Modellen aus dem Hause Werner Hiller unterwegs.
Das Jahr 2001 zeichnete sich ab sowie die zwölf Jahre, die zu einem Geschenk für uns alle wurden…
Ein Kuss auf die Wange. Ein Kuss auf die Stirn. Lebewohl…
Danke Sonne. Danke Herbst. So schön waren euer Leuchten und eure Farbenpracht zu seinem Fenster hinein. Und das bis zur allerletzten Sekunde, zu der unser Mecki von uns gegangen ist. Er fehlt uns, wie er uns fehlen wird. Seine Familie und sich – die hatte er nie aufgegeben. Die zwölf Jahre mit seiner Krankheit lebte er – seine letzten Tage überstand er.
Genau dieser sonnige und farbenfrohe Herbst war es auch im Oktober 2001 als seine Krankheit ihren Lauf genommen hatte. Seiner ersten Operation auf der Klinik Schillerhöhe begegnete er mutig und stark, obwohl es sehr eng für ihn aussah. Wir alle bangten um ihn und groß war die Freude als er wieder sein trautes Heim betreten konnte.
So waren zwölf Jahre zu einem bunten Paket geschnürt und Mecki machte etwas daraus. Er startete nochmals richtig durch. Zuerst mit seiner Puch SGS 250, die wir gemeinsam generalaktivierten. Und ab 2008 mit seinem geliebten 850er Diesel-MZ-Gespann, in das wir mehrmals Herzblut und Schweiß einfließen ließen. Trotz meines Wegzugs auf die Fildern hinauf machten wir beinahe täglich Vieles miteinander, so zum Beispiel Gartenarbeiten, Brennholzarbeiten und Brikettbeschaffung, Renovierungsarbeiten, Spaziergänge am Abend mit Hund Lola, auch an den Teich im Fasanenwald, der aus einem Bombenloch entstand und an dem er als kleiner Junge gerne spielte. Und natürlich alles rund um das Thema Motorrad. Auch dies wird mir sehr fehlen. Mir und uns allen ist ein Freund und Wegbegleiter verloren gegangen.
Viele Motorradtreffen in der Ferne und in der Nähe besuchte er, auf viele begleiteten mein Bruder Georg und ich ihn. Und manchmal hielten mich die Reparaturen an seiner Puch und seiner Diesel-MZ ganz schön auf Trab, wenn Mecki die Machbarkeitsstudie
„Mechanik & flotte Gangart“ auf´s Asphalt-Parkett legte. Und das konnte er! Aber auch das bekamen wir gedeichselt.
Im Herbst 2010 machten sich Mecki, Angelika – sie im Seitenwagen der Diesel-MZ – und mein Bruder Georg auf seiner Bandit 1250 gar auf eine große Reise in die Französischen Seealpen. Und das alles, obwohl es auch 2006 und 2008 nochmals sehr ernst für ihn wurde. Über die Jahre trat die eine oder andere Krankheit hinzu, auch die alte meldete sich leider wieder. Nichtsdestotrotz jammerte er nie, schaute dem Leben und auch der Bedrohung stark, mutig und selbstbewusst ins Auge. Die gesamte Familie bewundert ihn hierfür. Gleich am ersten Tag auf der Schillerhöhe im Oktober 2001 erkannte er den Ernst der Lage, beendete das Rauchen. Sein Mahnmal: Die im Wald unter einem Stein vergrabene Zigarette! Er richtete sich gewissenhaft nach all seinen Krankheitsbildern – ohne den Blick für seine Familie und das Leben aus den Augen zu verlieren.
Die Frage nach dem „Wann“ stellt sich für die Menschheit immerzu und wird doch stets in die Ferne gerückt. Aber dann ist es wirklich da und es schleicht sich lähmende Routine ein. Alles so normal. Von Tag zu Tag.
Im Frühjahr 2013 erhielten wir die böse Diagnose. Es war zurück. Das letzte Mal fuhr Mecki mit seinem Diesel-MZ-Gespann am 18. Dezember 2012, da fuhren wir gemeinsam zum TÜV-Nachtermin in Leonberg. Endlich hatten wir das Gespann wirklich soweit – inklusive aller Eintragungen. Dass er davon aber nicht mehr viel haben sollte – das hatte ich niemals für möglich gehalten. Die folgenden Monate aber blieb er unbeirrt stark und mutig, trotz seiner zunehmenden körperlichen Schwäche. Die Ohnmacht und Hilflosigkeit suchte er uns zu nehmen, uns mit seiner fröhlichen Art und seiner lockeren Ironie aufzuheitern – und das bis an seine letzten Tage heran. Große Freude und Kraft gab ihm seine Enkeltochter Lisa-Marie, die im März zur Welt kam und er hatte vor, zusammen mit ihr am Motorrad zu schrauben.
Seine letzten zehn Tage musste er wieder auf der Klinik Schillerhöhe verbringen. Genau dies wollten wir vermeiden. Aber es war uns nicht möglich. Es war stärker geworden. Meckis Stärke aber wurde schwächer und er uns immer ferner. Das Krabbeln seiner Finger in unseren Händen – es ließ nach. Aber unsere Nähe, die spürte er gewiss. Mithilfe eines 24 Stunden-Marathons begleitete ihn seine gesamte Familie diese seine und unsere letzten gemeinsamen Tage. Wir alle waren für ihn da. Und bis zuletzt kämpfte er. Lebenswille. Astronautennahrung. Bis zum Loslassen. Nach dem allerletzten Abschied war es sehr schwer für mich, ihn da oben zurücklassen zu müssen.
Am 26. Oktober 2013 ging unser geliebter Mecki von uns. Ich zog die Batterie aus seinem Wecker. Ein Erinnerungswecker, der nun im Bücherregal steht. Die wärmenden Sonnenstrahlen des goldenen Herbstes leuchteten herein. Er ging mit der Musik der Viola, der Klarinette und des Klaviers, dem Gesang der Distelfinken und der Tannenmeise. Und am späten Abend daheim nur diesen einen Song für ihn auf dem Cello. Ungedämpft.
Seine Handy-Pin 7430, die meine Mutter ihm auf einen Zettel schrieb – sie werde ich ihm ins Grab legen. Wir bleiben alle in Verbindung.
Meckis Zeitpunkt war gekommen. Er hatte alle Zeit seines Lebens, wie auch wir diese haben. Lasst uns etwas daraus machen. 2011 schrieb ich das Werk „Das dritte Bild der Statik“, das besagt, dass bei Klangkörpern ein Stimmstock den Boden mit der Decke verbinde und dass dieser der menschlichen Anatomie vielleicht fehle, so dass Dissonanzen zu Wohlklängen werden könnten, und wir einander alle nicht kennen…
Wir aber kennen ihn und ich bin mir ganz sicher, dass er seinen Stimmstock mitgenommen hat.
Seine Frau Angelika, seine Töchter Nicole, Mirjam und Sophia, seine Enkeltochter Lisa-Marie und seine Söhne Dirk, Georg und Dominik vermissen ihn so sehr.
Sein Cromwellhelm und seine Motorradjacke aber sollen an der Garderobe verbleiben. Erinnerungen. Meine Mutter hatte diese nette Idee und alle finden sie klasse.
Mecki – stark wie einst Cromwell! Aber sanft.
Ich danke euch.
Dominik
Wegen des Termins seiner Beisetzung bitte ich um eine persönliche Nachricht. Mecki wird sich riesig über euer Erscheinen freuen.