Salü zäme, wie man hier in den Schweizer Bergen sagt! Nachdem ich schon einige Monate viel durch das Lesen im Forum profitiert habe, ist es wohl an der Zeit, auch einmal einen Beitrag zu schreiben und mein erstes Schrauberprojekt vorzustellen.
Alles begann vor reichlich vier Jahren mit dem Kauf einer gebrauchten RT aus den letzten Zschopauer Produktionsjahren (Baujahr 2007). Das kleine Achtellitermaschinchen leistet seitdem in den Bergen zuverlässige Alltagsdienste und wird sommers wie winters gefahren. Die Lektüre von Claus Uhlmanns Buch (Das kleine Wunder aus Zschopau - Geschichte und Technik der RT-Motorräder) weckte dann den Wunsch nach einer richtigen RT. Nach langer Suche bin dann endlich fündig geworden und nun steht seit einiger Zeit eine Strich zwo im Keller (Foto 1-4). Die RT (Baujahr 1958) habe ich aus erster Hand. Papiere sind vorhanden – das war nicht nur dem Schweizer Zoll, sondern auch mir ganz wichtig. Die RT gehörte bis zur Wende einem Lehrer in Weimar (Das liess auf ordentliche Pflege hoffen). Auf dem Nummernschild ist eine blaue Zulassungsplakette zu sehen. Jemand sagte mir, dass die Farbe dieser runden Dinger jährlich wechselte und somit Auskunft über die letzte Prüfung gibt. Falls das stimmt, weiss jemand, in welchem Jahr dunkelblau dran war? Irgendwann gelangte die RT dann auf ungeklärten Pfaden zum Händler und letztlich auf noch viel verschlungeneren Wegen ins Berner Oberland.
Beim Auseinandernehmen zeigte sich, dass die RT wirklich in einem recht passablen Zustand war. Die Fahrgestellnummer (5014669) lässt mich hoffen, eines der frühen Vollnabenmodelle erwischt zu haben. 1977 hat der Lehrer wohl einen Unfall gebaut und musste einen Ersatzrahmen (E 5068840) besorgen. Wahrscheinlich sind dabei auch Telegabeln der Strich-drei verbaut worden. Auch der originale Motor von 1958 (6013765) ist irgendwann ersetzt worden. Der „neue“ Dreigang trägt die Nummer 6036815. Leider habe ich noch keine Liste der RT-Motornummern gefunden und weiss somit nicht, wann das passierte.
Schwierig war die Entscheidung, wo der Wiederaufbau hinführen sollte, denn die Lackierung war irgendwie grenzwertig: eigentlich noch gut aber irgendwie doch schon recht mitgenommen. Patina konservieren oder neu lackieren? Ich hatte den Eindruck, dass ein Grossteil der Schäden erst beim Herumstehen in der Nachwendezeit entstand und entschied mich schweren Herzens für`s neu machen. Vor allem das Chrom war nur hauchdünn aufgebracht und schon mächtig vom Rost durchschossen. Unsicher bin ich mir, ob der verchromte Tank eine Deluxe-Ausführung war oder ob damit auch normale Maschinen ausgestattet gewesen sind. Stärker als der Tank waren Telegabelrohre und Federbuchsen verrostet. Also waren neue fällig. Motorradmeister Milz in Dresden verschickte die benötigten Ersatzteile problemlos, zuverlässig und für Berner Verhältnisse beinahe beängstigend schnell. Alle anderen wichtigen Teile waren bis auf den gebrochenen Hauptständer wiederverwendbar.
Auseinandergebaut nimmt die RT ordentlich Platz im Keller ein (Foto 5). Letzte Woche war es dann soweit: der Zusammenbau begann! Als erstes wurde die Geradwegfederung auseinandergenommen, mit Aceton geputzt, schön eingefettet und wieder verbaut. Schwieriger war das Auseinandernehmen der Telegabel. Hier hatte sich ein Schmiernippel verbogen und seine Basis in den Rohrquerschnitt derart eingesenkt, dass das Teleskoprohr nur unter Opferung (aufschneiden) des Führungsrohrs ans Tageslicht gebracht werden konnte. Die neuen Pertinax-Buchsen mussten eingeschliffen und im Ölbad etwas vorgequollen werden. Als Anfänger leistete mir der "Reparaturratgeber für die Zschopauer RT" von Fonsi Karasz gute Dienste. Wahrscheinlich gab es in der DDR nur selten die passenden Beilegringe, so dass auf Improvisationen zurückgegriffen werden musste. Ich fand im rechten Gabelrohr nur einen Beilegring, die übrigen drei waren durch Sprengringe ersetzt. Dabei stellt sich eine Frage: wozu dienen die Beilegringe? Pertinax ist derartig zäh, dass der Ring wohl kaum die Buchse vor Beschädigungen beim Stauchen schützen muss… Unser Dorfmechaniker wird mir nächste Woche passende Ersatzringe aus Schweizer Altbeständen besorgen und dann geht der Zusammenbau weiter…
Zum Schluss noch eine Frage an die alten Hasen hier im Forum. Ein Foto im Uhlmannschen RT-Buch und das ES-Rücklicht an meiner RT brachten mich zum Überlegen: es gab wohl in den Sechzigern Nachrüstblinker zu kaufen. Die dürften die schwache Lichtmaschine zwar ganz schön zum Kochen gebracht haben, würden aber heutzutage im Alltagsbetrieb von Vorteil sein. Gibt es die noch? Ich habe bisher noch keine gefunden.