Mittlerweile ist das ja alles sehr entspannt.
Ich erinnere mich an eine Geschichte von 1980. Ich war damals beim Bund. Ein Kamerad hatte eine Yamaha XS650SE (US-Modell)
Seine Frau bekam ein Kind, Kohle war knapp, so konnte ich das Teil günstig erwerben. Der TÜV war fast fällig- ich konnte die Maschine zwar noch ummelden, musste einen Monat später aber zum TÜV. Ich wählte den TÜV Landshut, in meiner Heimatstadt.
Die 650SE war Choppermäßig als Serienmodell das heißeste, was man sich vorstellen konnte. Die Serienauspuffanlage war mehr als 30cm kürzer als die des europäischen Modells. Das damals übliche Lenkradschloss am Rahmen waren nicht vorhanden. Zu dem Prüfers Graus endete der Kotflügel kurz unter dem Kennzeichenhalter, geschätzt 70 cm über dem Boden... Die US-Seitenstrahler hatte ich vorbeugend entfernt- ich wusste das gibt sonst Stress, aber die Dinger am Kennzeichenhalter waren nur geschwärzt. Für alle anderen Leuchten am Fahrzeug (alles US!) gab es Ausnahmegenehmigungen.
Schon beim ersten Anblick des Fahrzeugs war der Prüfer entsetzt.
"Das Fahrzeug ist so nicht vorschriftsmäßig und HU-fähig. Woher kommt das Teil??"
"Aus den USA, ein Import eines deutschen Motorradgroßhändlers." antworte ich. ER." Das muss nach den deutschen Vorschriften umgebaut werden."
Ich wusste sofort, der Termin wird hart... Und Lang-sehr lang...
Das war der Motorradspezialist des TÜV in LA und Umgebung, extra zu diesem Termin zur Prüfstelle angereist. Meine TÜV-Schulung "Die StVZO, mein Motorrad und ich" begann.
Er: Der hintere Kotflügel ist abgeschnitten! Ich: "Nein, serienmäßig!" Er: "Haben Sie eine ABE für die Alu-Räder?" Ich: "Nein, serienmäßig!"
Er: "Ohne Lenkradschloß gibts keine Plakette!" Ich: "Die Maschinen hat ein Lenkradschloss!" Er." Nein!" ICH:"Doch!Die Amis sind nur technisch weiter als wir..." ER: "Nein! Zeigen!!!" (Den Eintrag "Schloß wird als Zubehör lose mitgeführt...", kannte man damals noch nicht!)
Ich schalte die Zündung aus, ziehe den Schlüssel ab. "Fertig!" Zündschlüssel abziehen reicht nicht!" Ich: "Doch!" ER: "NEIIN!!! Das Schloss muss mechanisch verriegeln!"
Erklärung: "...das ist ein US-Modell, die machen das mit dem Zündschloss!" Der Leiter der Prüfstelle wird geholt: Diskussion zwischen Chef und Prüfer.
Chef will das abschließen sehen, ist verblüfft! Sowas hab ich ja noch nie gesehen! Er probiert selbst das abschließen... Zu guter Letzt erkennt er: "Super, das ist der Fortschritt!" (BMWs hatten noch ein Schloß am Rahmen.)
Die seitlichen Rückstrahler musste ich mit meiner PUK-Eisensäge abschneiden und entgraten. ER:"Aber der Auspuff ist unmöglich! Der ist gekürzt und schön wieder zusammengeschweisst! oder aus dem Zubehör..." Ich: "Ist serienmäßig!" Er: "Beweisen sie das!"
Das Ganze wurde zu einer TÜV Show mit immer mehr Zuschauern und einem Prüfer, der eine rote Ampel mit seinem roten Kopf getoppt hätte... "Da muss eine Nummer, dauerhaft eingeprägt, sein! Die steht auch in den Papieren!" fordert er. "Ohne Nummer keine Abnahme! Neuen Auspuff kaufen!"
"Die Nummer ist an der Unterseite des Auspuffs!" erkläre ich ihm. So holt er eine Decke, legt sich auf beiden Seiten vor dem Auspuff, sucht und findet die Nummer... Also ok. Hebt aber nicht seine miese Stimmung.
Als er so den Auspuff betrachtet, fällt ihm auf, das das hintere Schutzblech bezogen auf die Hinterachse in einem Winkel von max. xxx° enden muss. Das ist eindeutig nicht so. Punkt für Ihn! Das ist so ja eine Gefährdung der hinter mir fahrenden Verkehrsteilnehmer durch hochgewirbelten Schmutz! Erheblicher Mangel! Plakette verweigert! Der Mann war mittlerweile vom Diskutieren erschöpft. Ich als 20-jähriger Schnösel widerspreche ständig einem erfahrenen Prüfingenieur mit 30J. Erfahrung....
Seltsamerweise war alles bei einer Überprüfung durch dem TÜV München gleich nach dem Import kein Problem... Also frage ich, wie wir das Problem mit dem hinteren Kotflügel jetzt lösen. Er zeigt mir die StVZO und da steht es, genauso wie er (auswendig) mit Komma und Punkt wörtlich zitiert hat. DAS DARF ER, bei allem Verständnis NICHT ABNEHMEN. Anderen Kotflügel besorgen, wiederkommen.
So fahre ich zu Motorrad Maier, bei uns in der Gegend der Yamaha Spezi. Als ich den Preis für einen neuen Kotflügel der europäischen XS höre, bin ich nahe am plötzlichen Herztod. Aber Maier Sen. hat eine Idee. Holt einen Cross-Kotflügel. Tatsächlich finden wir ein RIESEN-Teil in weiss. Ich bekomme es für 10DM "wir brauchen es eh nicht, keiner weiss wo das drauf gehört..."
Ich säge den Kotflügel STVZO konform ab und befestige ihn unter dem Rücklichthalter. Ich montiere außerdem einen zugelassenen Original Yamaha Rückstrahler in passendem Abstand zum Erdboden und fahre wieder zum TÜV. Am gleichen Tag. Und muss warten. Der Prüfer prüft gerade ein Wehrmachts-Kettenkrad. Ein junger Prüfer winkt mich zu sich und schenkt mit einen kleinen TÜV Aufkleber. "Den machst auf die Kotflügelverlängerung", sagt er lächelnd.
Merke: "Auch Prüfer sind Menschen und können Spass machen und verstehen..." Ich mache den drauf und warte auf "meinen Prüfer...
Der bekommt von der Verwaltungsdame das Klemmbrett mit meinen Unterlagen. Seine Kollegen haben den Chef verständigt. Einer sagt leise zu mir: "Der will die Komödie auch ganz sehen..." Nun bin ich dran. Mein Prüfer ist freudig überrascht, das ich schon wieder da bin. "Hast alles erledigt? Rückstrahler? Kotflügel hinten?" Ich bejahe.
Das kann doch nicht sein! Das will er sehen. Wir gehen also zu meiner, nun mit gesetzeskonforme Cross-Kotflügelverlängerung in weiss (alles andere ist Chrom) versehenen Maschine.Überall in der Prüfstelle lauschen seine Kollegen und sein Chef lungert bei einem anderen Prüfer rum und grinst mit "Daumen hoch"...
Erste Reaktion seinerseits ist Sprachlosigkeit. Er wird immer blasser. Er rüttelt an der Verlängerung-ist sicher befestigt! Er läßt mich und einen Kollegen seiner Dienststelle aufsitzen um zu sehen, ob das Teil am Reifen schleift. Passt auch... Er misst nach. Unbelastet und belastet. Dann holt er einen Meßwinkel. Teil entspricht der StVZO. Scharfkantig ist es auch nicht. Und elastisch, das bricht nicht und bildet keine schaffen Splitter...
Mittlerweile ist die Prüfstelle lahmgelegt, alles steht um uns-jeder einzelne TÜV Beschäftigte samt Chef und Verwaltung.
Als er den TÜV Aufkleber sieht, wird er wieder Tiefrot und stottert: "Willst Du mich verarschen??? Woher ist der Aufkleber?? Woher ist der Kotflügel?? Wer hat den so hergerichtet? Das ist doch potthäßlich! Willst Du mich verarschen?? Den machst Du doch sofort wieder ab, wenn Du aus der Prüfstelle mit der zugeteilten Plakette draußen bist...! Ich weise Ihn freundlich auf den TÜV konformen, mit allen notwendigen Kennzeichnungen versehenen Rückstrahler hin, der unverlierbar angebracht ist und auf die extra von mir noch angebrachte Kennzeichenverstärkung aus ALU-Blech hin. Das kann ihn auch nicht beruhigen. Er brüllt stotternd.
Nun schlendert sein Chef, sich in die Lippe beissend und so mühsam das Lachen verbeissend auf uns zu.
Er fragt: "Was ist denn los? Dein Brüllen ist auf dem ganzen Hof, bis in mein Büro zu hören??? Ist da irgendwo versteckte Kamera??? (Damals eine beliebte Fernsehsendung)
Er tut so, als ob er mich jetzt erst bemerkt. Versteckt hat er mir schon ein "Daumen hoch" gegeben. "Das ging ja schnell. Haben sie die Mängel beseitigt? Aha! Na ja, nicht schön-aber vorschriftsgemäß! Mit korrektem Rückstrahler. Vorbildlich! Schöne Maschine- die europäische Twin ist ja schon selten, den Motor haben die Yapse von den Engländern abgeschaut. Die US hatten wir noch nie. Oder Kollegen? AH- schöner Aufkleber-Werbung ist immer gut!" Kopfschütteln überall, Nein, so ein Teil hatten -sie noch nie... Wir plaudern noch über Diebstahlsicherungen und einige technische Feinheiten, dann nimmt der Boss das Klemmbrett.
Er hakt die Beanstandungen ab. Dann kommt der unerwartete Moment. DER CHEF greift in die Tasche, nimmt seinen Sachverständigenstempel raus, und drückt ihn auf das Dokument und gibt es seiner Sekretärin. "Nachprüfung ohne Mängel! Ausdrucken, wiederbringen und dem Herrn geben." Er blickt in die Runde, zustimmendes Murmeln von allen Prüfern (außer einem), geht hinter das Motorrad zum Nummernschild, greift wieder in die Tasche, holt ein TÜV-Plastiksiegel raus und drückt es mit seinem Spezialwerkzeug in den Halter. Ich verstehe, das soll eine kleine Genugtuung für mich und ein kleiner Rüffel für seinen Prüfer sein.
Ich bedanke mich und will zum zahlen geben. Er sagt mir, dass das nicht nötig wäre, das ist gratis. Es wäre auch am gleichen Tag und mein Aufwand und so... "Und heben Sie das Teil gut auf, auch wenn sie es gleich wieder demontieren. Bauen sie es vor der HU an und alles ist gut. Das ist nun mal die Vorschrift... Da hat der Kollege, bei allem Verständnis, Recht. Ich wünsche ihnen allzeit gute Fahrt und immer mindestens eine Reifenbreite Asphalt unter den Reifen.
Er gibt mir die Hand, die anderen Prüfer wünschen noch gute Fahrt und ich kicke das Teil, auf dem Hauptständer stehend, an. Ich drehe einmal kräftig am Gas und der Paralleltwin sorgt dafür, dass sich die 650er auf der Stelle dreht. Gelächter. Abfahrt.
Das Erlebnis werde ich nie vergessen!
Und ich bin immer noch Kunde dort... Ständige Frage damals, wenn ich mit irgend einem Fahrzeug aufgetaucht bin: "Hast die US Yamaha noch???""