Rügen:
Es ist nicht mit Worten zu beschreiben ...
... Ich will es dennoch versuchen.
Das Meer ganz ruhig und glatt – wie ein Dorfteich. Die Nacht klar und tiefschwarz. Am Himmel steht der Mond, sein silberner Glanz spiegelt sich im Wasser. Darüber spannt sich das Sternenfirmament. Der Lichtfinger eines fernen Leuchtfeuers gleitet über die fast bewegungslose See. Eine leichte Brise weht herüber, trägt salzig-würzige Luft heran. Ich atme tief ein. Die Augen geschlossen. Man kann die Seele gar nicht so weit öffnen um alles in sich hinein zu lassen. Aufnehmen. Einsaugen. Ganz tief. Bis ins Innerste.
Ich bin ganz allein – keine Stimme, kein fremdes Geräusch stört. Nur ich, die See und der Himmel. Am Ende der Mole. Direkt am Wasser. Leichter Wind kommt auf. Er lässt die Wellen ganz leicht an die Molenmauer plätschern. Ich schließe wieder die Augen. Bin Eins mit dem Schwarz der Nacht ...
Wie gesagt, nur ein vager Versuch ... Unbeschreiblich eben.
Das war das Ende meines Tages. Der neue ist schon angebrochen. Ich muss das noch unbedingt aufschreiben. Noch habe ich das Gefühl und die Stimmung in meiner Seele. Ich durchlebe es beim tippen noch einmal.
Aber mal von Anfang an. Heute früh – Auge aufgeklappt, Morgentoilette. Hunger. Frühstück ganz unromantisch im Supermarkt. Dafür preiswert.
Mein Plan für heute: KdF-Bad Prora, Arkona, vielleicht noch Dranske. Da war ich als Kind auch schon mal. Aufgesessen und los. Erst noch mal fix Richtung Sassnitz Altstadt. Fotomotiv – wunderschönes altes Haus. Original Malereien dran. Alt. Natürlich maritime Motive. Kleiner „Trödelmarkt“. Ich knipse, was das Zeug hält. Nicht unbemerkt. Der Besitzer kommt heraus. Schwatzen. Ich darf einen Blick ins Haus werfen. Alte Deckenbemalung, gemütliche alte Möbel. Ein riesiges Bücherregal. Alles hat Patina. Selbst der Geruch ist „alt“. Ich muss mich losreißen.
Damit ist mein Plan schon über den Haufen geworfen. Hat keine zehn Minuten gehalten. Das KdF-Bad kann warten. Hat es so lange gehalten, wird es auch noch paar Jahre länger stehen. Ich tuckere paar Meter weiter. Mal wieder ohne Helm. Nichts stört. Blicke in enge Gassen, auf wunderschöne Villen. Pensionen. Kleine Hotels. Auch alte Gemäuer. Nicht restauriert. Traumhaft. So etwas müsste man konservieren. So wie es ist. Für die Ewigkeit.
Das Motorrad steht längst in der Ecke. Ich schlendere durch die Gassen, steige steile Treppen hinauf und hinunter. Die Handykamera glüht. Fabelhafte Motive. Strahlend blauer Himmel. Hinter jeder Ecke gibt es etwas Neues zu entdecken. Kleinigkeiten. Zauberhaft.
Die Zeit vergeht. Wie im Fluge. Mittag ist längst vorbei. Ich reiße mich wieder los. Richtung Arkona geht die Reise. Ich halte durch, fahre bis hin. Keine Abstecher mehr! Am Besten gleich auf die breite Bundesstraße. Die kleinen gemütlichen Sträßchen gemieden. So geht es. Ich komme nicht in Versuchung.
Puttgarten. Ende der Motorradfahrt. Ab hier geht’s nur noch unmotorisiert weiter. Ausnahme: ein Mini-„Zug“. Ich nehme die Beine. Der Weg nach Arkona gleicht einer Einkaufsstraße. Aber nicht so der übliche Andenken-Plastic-Ramsch. Kleine Lädchen. Gemütlich. In alten Fischerkaten untergebracht. Ein ehemaliges Gehöft. Alte Buchdruckerei. Überall gibt’s regionale Spezialitäten. Sanddorn. Fisch. Und Kunst. Bilder, alte Landkarten, Gemälde. Ich bummel so durch. Töpferei. Ich kann doch nicht vorbei. Eine Vase sticht mir ins Auge. Könnte gut auf mein Sideboard passen. Ich werde mit der Verkäuferin handelseinig. Kann sogar meinen Erwerb bei ihr lassen, auch noch etwas anderes, was ich schon vorher erstanden habe, werde es auf dem Rückweg abholen. Weiter. Aber nicht weit. Ein Schild: Bauerngarten – frischer warmer Pflaumenstreusel. Ich kann nicht widerstehen. Großer Kaffee dazu. Lecker. Am Tisch Hanauer Hessen. Sind – großstadtverwöhnt – arg von der Rügener Einsamkeit geplättet. Für ihre Begriffe zu viel Pampa. Sollen sie zu Hause bleiben! Mir geht das Herz hier auf.
In der Ferne winkt der Leuchtturm mit seinem kleineren Bruder. Ein alter – Schinkel hat ihn entworfen – und ein neuerer. Eine Menge Touristen. Ich schaue nur kurz zu ihm hoch und gehe vorbei. Zum nördlichsten Punkt. Zumindest früher Mal.
Weiter. Da, jetzt habe ich es geschafft. Die Spitze. Früher von der DDR. Ich vernehme sächsisch gesprochene Worte. Wieder Schwatzen. Erinnerungsfotos. Schwatzen. Plötzlich fällt mein Blick auf die Uhr meines Gesprächspartners. Dreiviertel sechs! Um macht der Laden zu. Mit meinen Einkäufen. Sturmschritt. Jacke aus. Mir wird warm. Ich schaffe es mit zwei Minuten Verspätung. Es ist schon alles schön verpackt, große Einkaufstüte. Bruchsicher. Sehr gut. Die Verkäuferin ist gerade drüber Feierabend zu machen. Ich komme schon wieder ins Schnattern.
Nun aber los. Ich halte die Leute auf. Rückweg. Ein Maler. Kleine Freiluftgalerie. Ich mache ein Foto. Der Mann kommt auf mich zu. Mein Mundwerk bekommt schon wieder zu tun. Abmarsch.
Der Parkplatz kommt in Sicht. Fast leer. Kaum noch Leute unterwegs. Ich verpacke meine Schätze. Steige auf. Helm bleibt an der Seite hängen. Ich fahre verbotenerweise den Weg zurück, den ich gerade zu Fuß gekommen bin. Biege auf halber Strecke ab nach Vitt. Ein idyllisches Fischerdörfchen. Normalerweise auch nur unmotorisiert zu erreichen. Keiner mehr unterwegs, niemand stört es. Am Dorfeingang stelle ich die MZ ab. Die Häuser kommen erst nach ein paar Treppen zum Vorschein. Jetzt ist das Dorf wirklich idyllisch. Kein Mensch mehr da. Zumindest keine Touristen. Ich gehe zum Hafen. Kleiner Steg, paar Fischerboote. Fotos. Ich kitzel das letzte Quentchen Energie aus dem Akku. Ein paar werden noch, dann ist Feierabend. Die Sonne malt einen roten Streifen an den Horizont. Ich bin ganz allein. Herrlich. Schöner Blick. Steilküste. Kreidefelsen. Fischernetze. Traumhaft. Unbeschreiblich schön.
Paar Meter hin am Strand ein Feuersteinfeld. Ich suche nicht nach Hühnergöttern. Aber drei „Ballaststeine“ müssen mit. Die werden neben meiner heutigen Neuanschaffung ihren Platz finden.
Rückweg. Ein Feldweg. Eigentlich für motorisierte gesperrt. Ich ignoriere wieder ein Mal die StVO – was ich sonst eigentlich nicht tue. Plattenstraße, immer oberhalb der Steilküste entlang. Ab und an grüßt die Ostsee im letzten Abendlicht. Als ich die richtige Straße erreiche ist es dunkel. Ich habe einige Kilometer gespart. Zurück. Sind noch so reichlich dreißig Kilometer. Lasse mir Zeit. Der Tag passiert im Kopf Revue. Fehlt nur noch ein schöner Ausklang. Und was im Magen. Zurück in Sassnitz fahre ich noch mal zum Hafen. Der selbe Kneipenkahn von gestern ist über die Toppen beleuchtet. Also hin. Hunger. Durst. Genehmige mir ein „Störtebeker“. Und Hering „satt“ – frisch gebraten – mit Petersilienkartoffeln. Die üblichen Bratkartoffeln sind mir zu schwer, außerdem habe ich sie mittlerweile über. Lecker. Futtere mich satt. Zum Abschluss noch einen Espresso. Der wird mich für meinen Tagesbericht noch wach halten. Und dann noch meinen Abendspaziergang ...
Morgen werde ich dann wohl diese wunderschöne Insel verlassen, – müssen - mit schönen Erinnerungen im Kopf, paar Kleinigkeiten im Gepäck, einer Träne im Knopfloch und der Gewissheit wiederkommen zu wollen.
Fotos von meiner gesamten Tour gibt es
hier. Die Aktualisierung dauert leider wegen mangelhafter UMTS-Abdeckung auf Rügen. Zumindest, was eine gewisse Mobilfunkgesellschaft angeht, die nach eigenem Logo wohl doch mehr aus (heißer) Luft besteht. Ich denke, ihr wisst was und wen ich meine ...