von Q_Pilot » 9. Januar 2007 15:32
Ich hab eine Anleitung zum Kurbelwelle auswuchten als RTF-Datei. Hab einfach mal den Text hier eingefügt:
Auswuchten einer Einzylinder-Kurbewelle
Vor manchen Gebieten der Motorradtechnik empfinden die meisten eine heilige Scheu. Dazu gehört das Auswuchten von Kurbelwellen. Und doch wird auch hier nur mit Wasser gekocht, zumindest, was EinzylinderKurbelwellen betrifft.
Vor jeder Praxis steht die Theorie. Und die sieht so aus: Wuchten - das wissen wir vom Rad - hat etwas mit Massen und Gewichten zu tun. Die einer Kurbelwelle kann man in zwei Schubladen unterbringen. Da sind zum einen die rotierenden Massen, zu denen die Kurbelwangen gehören, der Hubzapfen, der Pleuelfuß und das zugehörige Lager. Bewiesenermaßen läßt sich dieses System zu 100 % auswuchten: dem schweren Hubzapfen gegenüber müssen lediglich Kurbelwange bzw. Schwungscheibe schwerer gemacht werden. In der zweiten Schublade liegen die hin- und hergehenden (translatorischen) Massen, wozu Kolben und -ringe, Kolbenbolzen, Pleuelauge und oberes Lager gehören.
Preisfrage: Wohin gehört der Pleuelschaft? Richtig: In beide Schubladen. Er kann seiner Bewegung nach sowohl den rotierenden als auch den translatorischen Massen zugerechnet werden. Während wir nun davon ausgehen können, daß das rotierende System ab Werk 100 %ig ausgewuchtet wurde, so ist dies bei Kolben und Pleuelauge nicht der Fall.
Das hat zu tun mit Beschleunigen und Abbremsen in den Totpunkten und mit der Exzentrizität der Massen dazwischen. Wer jetzt nur "Bahnhof' verstanden hat, kann trotzdem weiterlesen. Für die Praxis genügt es zu wissen, daß die hin- und hergehenden Teile nur zu 50 bis 75 % ausgewuchtet werden können, je nach Motorcharakteristik. Wäre es anders, so würde jeder Hersteller völlig vibrationslose Einzylindermaschinen bauen
.
Mausklick: große Abbildung öffnen Voraussetzung für unsere Wuchterei ist, daß wir mit den Good vibrations unseres Dampfhammers unzufrieden sind. Oder daß wir einen leichteren oder schwereren Kolben einbauen wollen. Als Beispiel soll uns ein MZ-Kurbeltrieb dienen, den wir zwecks Hubraum mit einem Mahle-Kolben bestücken. Dazu brauchen wir
* eine Briefwaage,
* eine Handvoll Muttern verschiedener Größe,
* 20 cm Blumendraht,
* zwei Metallplatten mit geraden Kanten, die so aufgebaut werden,
daß die Kurbelwelle mit ihren Zapfen auf ihnen abrollen kann.
Zunächst müssen wir die translatorischen Massen bestimmen. Auf die Briefwaage wird der neue Kolben mit Ringen, Bolzen und Lagern gelegt. Das wiegt zusammen 428 Gramm (g). Dazu kommt aber das Gewicht des Pleuelauges: Die Kurbelwelle wird so auf einen Klotz gelegt, daß der Pleuelkopf auf der Mitte der Briefwaage aufliegt.
Um Meßfehler zu vermeiden, muß dabei das Pleuel völlig waagerecht sein. Die abgelesenen 124g ergeben mit der Kolbenmasse zusammen 552 g, womit wir die hin- und hergehenden Teile gewogen haben. (Nebenbei interessant: Der Serienkolben, obwohl kleiner, ist runde 20 g schwerer.
Als nächstes legen wir die Kurbelwelle auf unsere Abrolleinrichtung. Sie wird sich dabei so auspendeln, daß der Hubzapfen an höchster Stelle steht. Wir biegen aus dem Blumendraht eine Art Fleischerhaken, haken ihn in das Pleuelauge ein und hängen so viele Muttern daran, bis die nackte Kurbelwelle ausgewuchtet ist: sie muß nun in jeder Stellung ruhen und darf nicht mehr pendeln.
Das funktioniert wie beim Radauswuchten und erfordert ein wenig Geduld, bis man die passende Größe und Zahl von Muttern als Gegengewicht herausgefunden hat.
Das Gewicht der Muttern stellen wir mit Hilfe der Briefwaage fest. Nicht vergessen, auch den Mini-Fleischerhaken mitzuwiegen! Die Waage zeigt in dem Beispiel 40 g an, wozu noch die Masse des Pleuelkopfes mit (vorhin gemessenen) 124 g addiert werden muß: Den translatorischen Massen von 552 g steht also ein Gegengewicht in den Kurbelwangen von nur 164 g gegenüber. 164 sind 29,7% von 552. Und das ist die Erkenntnis:
Würden wir den neuen Mahle-Kolben montieren, wäre der Kurbeltrieb nur zu rund 30 % ausgewuchtet. Angesichts der üblichen 50 bis 75 % ist das reichlich wenig. Es könnte also sein, daß unsere MZ zum Vibrator wird. (Wobei allerdings das Wuchtverhältnis mit dem Original-Kolben noch schlechter wäre. Ist das der Grund, warum manche Emmis so fürchterlich schütteln? Sollten die Wucht-Toleranzen ab Werk so groß sein?)
Mausklick: große Abbildung öffnen Wer sich traut, kann nun dem ungesunden Verhältnis abhelfen. Theoretisch müßte das Gegengewicht in den Kurbelwangen schwerer gemacht werden; aber wir können schlecht einen Eisenklumpen aufschweißen. Dann muß eben auf der Hubzapfen-Seite der Kurbelwelle gebohrt werden. Hier sind ohnehin schon Ausgleichsbohrungen vorhanden, die man per Bohrmaschine vergrößern oder vermehren könnte - natürlich schön gleichmäßig links und rechts des Hubzapfens.
Das Spielchen mit dem Fleischerhaken und den Muttern muß zwischendrin immer mal wiederholt werden, bis wir schließlich mit dem Wuchtverhältnis zufrieden sind.
Die Emmi wird es uns mit einem sanften Motorlauf danken und mit längerer Lebensdauer der Hauptlager. Die beschriebene Wuchthode ist sicherlich nicht so genau wie mit einer teuren Maschine, liefert aber hinreichende Ergebnisse. Sie ist außerdem sinngemäß auch auf Mehrzylindermotoren anwendbar, sofern die Hubzapfen der Welle nicht versetzt sind.
Es grüßt der Heiko aus dem Märkischen-Kreis
Skype: Q_Pilot
Fuhrpark: Diverse Motorräder deutscher, englischer, italienischer und japanischer Herkunft